Der Blick über die Länge eines leeren Bahnsteiges, im Vordergrund eine grau lackierte Metall-Bank mit fünf Sitzgelegenheiten, die mit Armlehnen abgetrennt sind
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SPNV-​Vergaben

Ver­öf­fent­licht am

Seit der Bahnreform 1994 und der Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs gibt es Wettbewerb im Schienenverkehr. Leistungen im SPNV werden im Rahmen formeller Ausschreibungen vergeben. 

Die Vergabe von SPNV-Leistungen erfolgt weitgehend im Rahmen europaweiter Ausschreibungsverfahren. Zielsetzung der Aufgabenträger ist hierbei, mögliche Kostenvorteile durch wettbewerbsbedingte Ausschreibungsgewinne in vollem Umfang für die Verbesserung des SPNV zu nutzen. Hierbei wird entweder eine solitäre Strecke oder ein betrieblich zusammenhängendes Teilnetz ausgeschrieben.

Ausgangslage


Im Zuge des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG), das den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur regelt, und dem Regionalisierungsgesetz des Bundes (RegG), das die Verantwortung für Planung, Organisation und Ausgestaltung des Schienenpersonennahverkehrs regelt, sind bundesrechtlich die Voraussetzungen für den Wettbewerb im SPNV geschaffen worden.

Das Regionalisierungsgesetz des Landes NRW (ÖPNVG NRW) delegiert die Verantwortung für den SPNV an drei regionale Zweckverbände, die als Aufgabenträger die Verkehrsleistungen bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen bestellen. Die Zweckverbände werden hierzu mit Mitteln zur Bestellung von SPNV-Leistungen ausgestattet (siehe SPNV-Pauschale). 

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) regelt in § 131 die Vergabe von Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr.

Akteure


In NRW erbringen im Jahr 2024 elf Dachgesellschaften mit insgesamt 17 Eisenbahnunternehmen (EVU) Verkehrsleistungen im SPNV:

  • Deutsche Bahn
    • Arriva Personenvervoer Nederland B.V.
    • DB Regio AG, Region NRW (DB)
    • Kurhessenbahn (DB RegioNetz Verkehrs GmbH)
    • Regionalverkehr Start Deutschland (Start)
  • eurobahn GmbH & Co. KG - (ERB),
  • Hessische Landesbahn GmbH (HLB),
  • National Express Rail GmbH (NX)
  • REGIOBAHN Fahrbetriebsgesellschaft mbH (Regiobahn),
  • Rurtalbahn GmbH (RTB),
  • Société nationale des chemins de fer belges (SNCB),
  • TRI Train Rental
  • Transdev
    • NordWestBahn GmbH (NWB),
    • Transdev Hannover GmbH (S-Bahn Hannover)
    • Transdev Rhein-Ruhr GmbH
    • trans regio Deutsche Regionalbahn GmbH (TR),
  • VIAS Rail GmbH (VIAS),
  • WestfalenBahn GmbH (WFB).

Tabellen und Übersichten:

Im Jahr 2022 waren rund 93 % (rund 108 Mio. Zug-​km/a) der rund 116 Millionen gefahrenen Zugkm/a in NRW im Rahmen von Wettbewerbsverfahren vergeben. Das Jahr 2022 war durch den Rückzug des Eisenbahnverkehrsunternehmens Abellio Rail GmbH geprägt. Ab Februar musste der Betrieb von fünf Wettbewerbsnetzen mit insgesamt 14 Nahverkehrslinien durch andere EVU übernommen werden. Mit der Übernahme von neun Linien ist der Marktanteil des DB-​Konzerns auf 53 % noch einmal deutlich gestiegen. Durch die Übernahme von zwei Linien im RRX-Vorlaufbetrieb ist jetzt National Express das EVU mit dem zweithöchsten Anteil in NRW (17 %). Drittgrößter Anbieter von SPNV-​Leistungen in NRW ist das Unternehmen eurobahn (ERB) mit 13 % (Quelle: SPNV-Qualitätsbericht NRW).

2022 traten mit der Regionalverkehre Start Deutschland GmbH (100-prozentige DB-Tochter) und der S-Bahn Hannover GmbH (100-prozentige Transdev-Tochter) zwei neue Betreiber in den SPNV-Markt in NRW ein.

Im Fahrplanjahr 2023 ist die Rhein-Ruhr-Bahn (100-prozentige Transdev-Tochter) als neuer Betreiber von SPNV-Leistung in NRW hinzugekommen. Im Jahr 2024 hat die TRI Train Rental GmbH den Betrieb einer neuen Linie für ein Jahr übernommen.

Probleme und Aufgaben


Die derzeitige Marktsituation ist relativ ausgewogen. Neben der Deutschen Bahn konnten sich große private Verkehrskonzerne (z. B. Transdev (vormals Veolia) und National Express) sowie kommunale Unternehmen (z. B. Regiobahn) und private mittelständische Unternehmen mit kommunaler Beteiligung (z. B. Rurtalbahn GmbH) im Markt behaupten. Jüngere Marktentwicklungen zeigen jedoch eine zunehmende Konzentration der Anbietenden auf wenige international operierende Konzerne, die entweder mehrheitlich durch die europäischen Staatsbahnen bestimmt sind (z. B. Abellio > Nederlandse Spoorwegen (NS)) oder Beteiligungen großer internationaler Mischkonzerne (z. B. NordWestBahn > Transdev, trans regio > Transdev) darstellen. Es ist davon auszugehen, dass sich mittelständisch strukturierte Unternehmen in kommunaler oder rein privater Trägerschaft nur in Marktnischen des SPNV-​Markts behaupten können. 

Für „Newcomer“ bestand im Fall großer Netze, in denen mit „schwerem Material“ gefahren werden muss, ein recht hohes Markteintrittsrisiko, da im Fall des Zuschlags erhebliches Kapital für die Fahrzeugbeschaffung gebunden wird. Das Aufkommen international operierender Leasinggesellschaften auf dem deutschen Markt hat diese Situation zunächst entschärft. Mit der Finanzkrise Ende der 2000er Jahre hat die Bedeutung dieses Modells deutlich abgenommen. Um den Wettbewerbsmarkt zu sichern („ausreichende Anzahl Bietende am Markt“), haben die Aufgabenträger in NRW begonnen, die Fahrzeuge selbst zu finanzieren und sie anschließend dem Betreibenden für den Fahrbetrieb zur Verfügung zu stellen (vgl. RRX-Modell). Neben dem oben genannten Fahrzeugmodell tragen Bruttoausschreibungen bzw. Mischmodelle mit garantierter Fahrgeldeinnahme oder mit Aufwandsentschädigungen für die sehr hohen Kosten der Bietenden während der Angebotsphase zur Stimulierung des Wettbewerbs bei. 

Nach der Wettbewerbstheorie kann der Aufgabenträger durch die Ausschreibung von Leistungen wettbewerbsbedingte Kostenvorteile erzielen. Erfahrungen aus dem Ausland (v.a. Skandinavien) belegen jedoch, dass sich diese in anfänglicher Höhe erzielten Vorteile mit zunehmender Marktentwicklung nicht dauerhaft realisieren lassen. Diese Entwicklung wurde auch im deutschen SPNV in den letzten Jahren zunehmend erkennbar. 

In jüngster Zeit beklagen die Eisenbahnverkehrsunternehmen in NRW wirtschaftliche Nachteile u.a. durch deutlich gestiegene Personalkosten, die von den vertraglichen Preisindizes nicht abgedeckt werden, und steigende Baustellenfolgekosten aufgrund erhöhter Bautätigkeit im Schienennetz. Die SPNV-Aufgabenträger haben daher Verhandlungen mit allen EVU zur Anpassung der Verkehrsverträge aufgenommen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat u.a. zur Finanzierung dieser Vertragsanpassungen zum 1. Januar 2021 die SPNV-Pauschale erhöht.

Um seine Vorteile zu entfalten, bedingt das System „SPNV“ eine vollständige Verzahnung aller angebotenen Leistungen. Dies ist im Bereich der Fahrplanung durch den Integralen Taktfahrplan NRW (ITF) bereits sichergestellt. Zunehmend wird jedoch erkennbar, dass unternehmensbezogenes Marketing, unternehmensbezogene Fahrgastinformation oder die Vertriebsvoraussetzungen für Tickets (mit Ausnahme der Verbundtarife) dieser Verzahnung entgegenstehen und zu negativen Auswirkungen unmittelbar auf die Kund*innen führen können. Aufgabenträgern, Verkehrsverbünden sowie den Eisenbahnverkehrsunternehmen kommt daher die Aufgabe zu, neben Fahrplan und Tarif auch in Feldern wie der Echtzeitinformation über Verspätungen oder dem Ticketvertrieb unternehmensübergreifende Lösungen gegenüber den Kund*innen vorzuhalten.