Anrufsammeltaxi, On-Demand-Verkehr, ÖPNV-Taxi, Bürgerbus etc. – neben dem klassischen Linienverkehr bestehen zahlreiche flexible Bedienungsformen.
Mit dem Ziel, Alternativen für Räume und Zeiten mit schwacher ÖPNV-Fahrgastnachfrage zu schaffen, wurden in den 80er Jahren mehrere flexible Bedienungsformen entwickelt. Im Vergleich zum konventionellen Linienverkehr sehen sie den Einsatz kleiner Fahrzeuge (Pkw oder Kleinbus) vor, meist einen Betrieb nur bei Bedarf, ggf. eine eigenständige Tarifierung und eine Flexibilisierung von Fahrstrecke und Haltestellenbedienung. Dadurch sollen zum einen die Betriebskosten reduziert werden. Zum anderen werden aber auch regelmäßige ÖPNV-Angebote in Räumen und Zeiten schwacher Nachfrage möglich gemacht und Zubringer zum klassischen ÖPNV geschaffen. Vielfach konnte durch flexible Bedienungsformen im ländlichen Raum ein ÖPNV im Taktfahrplan überhaupt erst realisiert werden.
Aktuell werden unter den Namen „On-Demand-Verkehr“ oder „ÖPNV-Taxi“ neue flexible Angebote geschaffen, die digital gebucht werden, z. B. über eine Smartphone-App. Zur Routen-Planung kommen Computer-Algorithmen zum Einsatz.
Ausgangslage
Deutschlandweit gibt es eine Vielzahl von Anwendungsfällen für die flexiblen Bedienungsformen, die sich in ihrer Bezeichnung und Ausgestaltung oft im Detail unterscheiden. Die meisten Anwendungsfälle sind organisatorisch in das kommunale ÖPNV-Angebot integriert und beim örtlichen Verkehrsunternehmen konzessioniert. Die Fahrleistung wird oft von Subunternehmen erbracht, beispielsweise lokale Taxi- oder Mietwagenunternehmen. Folgende Bedienungsformen sind dabei im Wesentlichen zu unterscheiden:
- Linientaxi: gewöhnlicher Linienbetrieb unter Einsatz von Fahrzeugen des Taxen- oder Mietwagengewerbes,
- Anruf-Linienfahrt (ALF) / Anruf-Linientaxi (ALT) / Taxibus: wie Linientaxi, verkehrt jedoch nur nach Fahrtwunschanmeldung,
- Anruf-Sammeltaxi (AST): verkehrt nach Fahrplan, aber nur nach Fahrtwunschanmeldung von festgelegten Abfahrtstellen zu jedem beliebigen Zielort in einem festgelegten Bedienungsgebiet („Haustürbedienung“),
- Rufbus: verkehrt voll flexibel mit vollständiger Aufhebung der Fahrplan- und Linienwegbindung, oft kommen dafür Kleinbusse zum Einsatz.
- On-Demand-Verkehr: wie Rufbus, aber die Systeme verwenden einen Algorithmus zum Kombinieren von Fahrten und bieten digitale Buchungsmöglichkeiten (i.d.R. kommen Smartphone-Apps zum Einsatz). Da „Haltestellen“ auch virtuell existieren können, ist eine wesentlich größere Anzahl an Start- und Zielpunkten möglich,
- ÖPNV-Taxi: wie On-Demand-Verkehr, aber Betrieb wird durch ein Taxiunternehmen mit Taxis durchgeführt.
Bedarfsverkehre, d.h. nur nach Fahrtwunsch durchgeführte Verkehre, erfordern i. A. eine entsprechende technische Infrastruktur zur Fahrtendisposition (Annahme der Fahrwünsche, Disposition der Fahrten, Abrechnung). Im Einzelfall erfolgt die Disposition auch direkt über die beauftragten Taxi- und Mietwagenunternehmen. Das senkt zwar den Aufwand für die Disposition, erschwert aber die Kontrolle.
Ferner gibt es Bedienungsformen, die organisatorisch eher „neben“ dem kommunalen ÖPNV-Angebot stehen:
- Taxiruf / Anschlusstaxen: Taxen-Bestellung durch das ÖPNV-Fahrpersonal an die Ausstiegshaltestelle, normaler Taxentarif; Ziel: Service-Verbesserung im ÖPNV.
- Bürgerbus: Linienverkehr mit Kleinbussen und ehrenamtlichem Fahrpersonal; Träger ist ein Bürgerbusverein, der von der Kommune und vom örtlichen Verkehrsunternehmen unterstützt wird; Ziel ist die Verbesserung der ÖPNV-Erschließung in Siedlungsbereichen ohne regelmäßigen Linienverkehr sowie die Förderung des lokalen Engagements und Zusammenhalts.
Die genannten Bedienungsformen haben sich in zahlreichen Projekten vor Ort etabliert und ihre Praxistauglichkeit bewiesen. Hoch digitalisierte On-Demand-Verkehre und ÖPNV-Taxis sind eine neue Angebotsform, die an vielen Orten noch in der Erprobungsphase steckt.
Akteure
Alle flexiblen Bedienungsformen, mit Ausnahme der On-Demand-Verkehre und ÖPNV-Taxis, zählen hierzulande mittlerweile zum Instrumentarium einer effizienten ÖPNV-Gestaltung. Insbesondere das Anruf-Sammeltaxi (AST) ist in ganz Deutschland vorzufinden. Darunter sind auch zahlreiche Anwendungsfälle in den Randbereichen von Großstädten.
Bürgerbusverkehre werden in NRW derzeit von rund 150 Vereinen in Kooperation mit den ortsansässigen Verkehrsunternehmen und den Kommunen ehrenamtlich betrieben. Pro Bürgerbus NRW e.V. dient den Bürgerbusvereinen in NRW als Kommunikationsplattform und bietet seine Unterstützung und Hilfe bei der Gründung neuer Bürgerbusvereine an. Die fortlaufend aktualisierte Broschüre „Bürger fahren für Bürger – Bürgerbusse in NRW“ steht auf den Internetseiten von Pro Bürgerbus NRW zum Download zur Verfügung.
Bei Rufbussystemen erfolgen Abfahrtzeit und Linienwegbildung weitgehend bedarfsorientiert. Aufgrund des hohen Dispositionsaufwands und der geringen Bündelungsmöglichkeit verschiedener Fahrtwünsche werden diese Systeme nur in wenigen Anwendungen weiterverfolgt. Im Kreis Heinsberg besteht mit dem MultiBus in drei Gemeinden ein derartiges Verkehrsangebot. Nach einer ca. zweijährigen Konzeptionsphase und einem einjährigen Probebetrieb wurde der MultiBus 2004 zunächst in drei Gemeinden in den Regelbetrieb überführt. Seit 2009 steht der MultiBus abends und am Wochenende kreisweit zur Verfügung. Ein vergleichbares System wurde mit dem NetLiner ab Dezember 2016 für sechs Gemeinden im Raum Monschau in der Eifel eingeführt. Inzwischen gibt es für den NetLiner vier weitere Bedienungsgebiete im Aachener Süden und Norden sowie in zwei Gemeinden in der Eifel.
Den bundesweit ersten On-Demand-Verkehr mit Smartphone-App hat die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) eingerichtet. Das Pilotprojekt MyBus ist im Oktober 2017 gestartet und 2021 in den Regelbetrieb gegangen. Die MyBus-Kleinbusse sind in der Schwachverkehrszeit am Wochenende im Einsatz. Nach einmaliger Registrierung erfolgt die Buchung über eine App auf dem Smartphone. Hierzu geben die Kund*innen zunächst ihren Start- und Zielort ein. Anschließend bündelt das Hintergrundsystem die verschiedenen Fahrtwünsche zu gemeinsamen Strecken.
In NRW sind bereits rund 30 On-Demand-Verkehre gestartet, die Bestandteil des Verkehrsangebotes eines kommunalen Verkehrsunternehmens sind. In Großstädten sind On-Demand-Verkehre beispielsweise in Krefeld, Wuppertal und Bielefeld in Betrieb. Den Ausbau von On-Demand-Verkehren im ländlichen Raum fördert das Land NRW im Rahmen der ÖPNV-Offensive. In kleineren Städten verkehren On-Demand-Verkehre z. B. in Gronau, Höxter und Meinerzhagen. Nach der Pilotprojektphase sind einzelne Angebote inzwischen in den Regelbetrieb übernommen worden, andere Projekte wurden aufgrund von hohen Kosten eingestellt. Weitere Informationen zum Thema On-Demand-Verkehr finden Sie hier.
Im Kreis Gütersloh ist im Oktober 2024 das erste ÖPNV-Taxi in NRW gestartet. Den Betrieb übernehmen Taxi-Unternehmen mit eigenen Fahrzeugen, auf denen ein Logo des „flex Taxis“ angebracht ist. Die Buchung erfolgt über eine Smartphone-App oder telefonisch. Das Pilotprojekt soll über einen Zeitraum von drei Jahren laufen.
Der VDV beleuchtet in seinem Buch „Differenzierte Bedienung im ÖPNV“ das Modell der Differenzierten Bedienung aus theoretischer Perspektive und stellt erfolgreiche Anwendungen aus der Praxis vor.
In einem Forschungsprojekt ist das Handbuch zur Planung flexibler Bedienungsformen im ÖPNV entstanden. Es ist beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung zum Download verfügbar.
Der Planungsleitfaden Mobilitäts- und Angebotsstrategien in ländlichen Räumen – herausgegebenen vom Bundesverkehrsministerium – stellt vorhandenes Wissen für die Analyse und Prognose der Fahrgastnachfrage zusammen. Auch innovative Lösungsansätze zur Sicherstellung der Mobilität in ländlichen Gebieten werden vorgestellt.
Probleme und Aufgaben
Die flexiblen Bedienungsformen wie z. B. Anruf-Sammeltaxi und Bürgerbus haben sich etabliert. So gibt es in NRW keinen Verkehrsraum, in dem nicht zumindest in der Schwachverkehrszeit auf Taxen oder Mietwagen basierende ÖV-Bedienungsformen verkehren.
Hoch digitalisierte On-Demand-Angebote sind in den letzten 10 Jahren hinzugekommen. Vielerorts wurden zunächst Pilotprojekte gestartet, die meist durch Fördergelder mitfinanziert werden. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die Vielfalt der flexiblen Zusatzangebote die gesamte Wegekette besser abdecken kann und der ÖPNV so an Attraktivität gewinnt. Durch die universelle Verfügbarkeit von Smartphones wird die Kommunikation mit dem On-Demand-Anbieter erleichtert. Auch junge Menschen („digital natives“) werden dadurch vermehrt angesprochen. Jedoch stehen der Angebotsverbesserung hohe Kosten für Digitalisierung, Fahrzeuge und Personal gegenüber. Der Regelbetrieb bedarf nach der Pilotprojektphase einer dauerhaften Finanzierung, die sich in Anbetracht der aktuellen Kostensituation bei Personal, Energie, Kraftstoffen und Material für die Verkehrsunternehmen oft als schwierig darstellt. Das hat dazu geführt, dass mehrere On-Demand-Angebote in NRW nach Projektende nicht fortgeführt wurden. Andere Projekte werden befristet verlängert oder ohne Zusage für einen dauerhaften Betrieb fortgeführt. Mehrere On-Demand-Verkehre sind aber auch in den Regelbetrieb übergegangen, zum Teil mit modifiziertem Angebot z. B. mit höheren Fahrtkosten, Komfortzuschlag oder Einsatz von Fahrzeugen ohne Logo.
Um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, ist die Idee eines ÖPNV-Taxis entstanden. Beim ÖPNV-Taxi gibt es im Gegensatz zu On-Demand-Verkehren keine Fixkosten für Fahrzeuge und Personal. Voraussetzung für den Einsatz von ÖPNV-Taxis ist, dass ausreichend Taxis zur Verfügung stehen, um die Nachfrage zu befriedigen. Während On-Demand-Verkehre aufgrund ihrer Fixkosten eine regelmäßige Nachfrage benötigen, die eher im städtischen Raum vorhanden ist, stellen ÖPNV-Taxis eher für den ländlichen Raum ein passendes Angebot dar.
Durch die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) 2021 sind unter anderem rechtliche Grundlagen für neue Bedienformen im Bereich bedarfsgesteuerter Ride-Pooling-Angebote geschaffen worden. Die Novelle des PBefG im Jahr 2021 hat zu einem deutlichen Zuwachs an On-Demand-Angeboten in Deutschland beigetragen. Dazu wurden sowohl eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des ÖPNV (§ 44 PBefG - Linienbedarfsverkehr) als auch eine neue Form des Gelegenheitsverkehrs außerhalb des ÖPNV (§ 50 PBefG - gebündelter Bedarfsverkehr) in das PBefG eingeführt.
Gleiche oder sehr ähnliche ÖV-nahe Angebots- und Bedienungsformen tragen aus Marketinggründen häufig unterschiedliche Produktnamen. Dies erschwert die Wahrnehmung der typischen Einsatz- und Zugangsvoraussetzungen für die Kund*innen. Ebenso stellen die rechtzeitige Fahrtwunschanmeldung und der Informationsbedarf über die Systemfunktionen eine nicht zu unterschätzende Nutzungsbarriere dar.
Für die ÖPNV-Landschaft sind flexible Bedienungsformen eine große Chance, sich als umfassender Mobilitätsdienstleister gegenüber den Kund*innen aufzustellen, denn für nicht wenige Menschen ist der ÖPNV das Verkehrsmittel für alle täglichen Wege.