Hände, die eine Aktenschublade durchsuchen
Foto: iStock / TommL

Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr

Ver­öf­fent­licht am

Mit der Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr haben Fahr­gäs­te einen neu­tra­len Part­ner bei Be­schwer­den und Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen im ÖPNV in NRW.

Bus- und Bahn­kund*innen kön­nen bei der lan­des­weit tä­ti­gen Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr Be­schwer­den oder Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen ab­ge­ben. Als neu­tra­le Be­ra­tungs­stel­le küm­mert sie sich dann um eine faire und un­bü­ro­kra­ti­sche Ei­ni­gung.

Aus­gangs­la­ge


Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr wurde von der Ver­brau­cher­zen­tra­le und dem Land NRW 2001 ein­ge­rich­tet. 2007 über­nahm der ge­mein­nüt­zi­ge Ver­ein „Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr e.V.“ die Trä­ger­schaft. Das Know-​​​how der Ver­brau­cher­zen­tra­le bei der au­ßer­ge­richt­li­chen Schlich­tung wird wei­ter ge­nutzt.

Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr konn­te sich schnell als Platt­form für die Schlich­tung von Streit­fäl­len zwi­schen Nah­ver­kehrs­kund*innen und Ver­kehrs­un­ter­neh­men eta­blie­ren und fin­det hohen Zu­spruch. Im Jahr 2023 er­reich­ten die Schlich­tungs­stel­le 3.109 An­fra­gen und Be­schwer­den. Damit wurde das Ni­veau der Vor-​Corona-Jahre leicht über­schrit­ten. Die Schlich­tungs­stel­le konn­te den höchs­ten Fal­l­ein­gang seit ihrer Grün­dung ver­zeich­nen (siehe Bild 1). 

Neben der Corona-​Pandemie füh­ren auch an­de­re Ein­flüs­se dazu, dass die Zahl der An­fra­gen und Be­schwer­den über die Jahre ge­wis­sen Schwan­kun­gen un­ter­liegt. Hier­zu zäh­len ins­be­son­de­re die Wit­te­rungs­ver­hält­nis­se und die An­zahl lang­wie­ri­ger Bau­stel­len. Als ein we­sent­li­cher Grund für den star­ken An­stieg der Be­schwer­den ab 2017 ist die Um­set­zung der Hin­weis­pflich­ten nach dem Ver­brau­cher­streit­bei­le­gungs­ge­setzt (VSBG) an­zu­se­hen. Die­ses Ge­setz ver­pflich­tet die Mit­glieds­un­ter­neh­men zu einem Hin­weis auf die Mög­lich­keit eines Schlich­tungs­ver­fah­rens im Rah­men der Be­schwer­de­kor­re­spon­denz sowie im In­ter­net.

Die Tä­tig­kei­ten der Schlich­tungs­stel­le ste­hen jedem Fahr­gast kos­ten­los zur Ver­fü­gung. Bei Be­schwer­den und Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen sol­len die Fahr­gäs­te je­doch zu­nächst in di­rek­ten Kon­takt mit den be­trof­fe­nen Ver­kehrs­un­ter­neh­men tre­ten oder ge­ge­be­nen­falls auf be­stehen­de An­ge­bo­te wie die „Mo­bi­li­täts­ga­ran­tie“ (siehe Kun­den­ga­ran­tien) zu­rück­grei­fen. Kommt es dabei zu kei­ner Ei­ni­gung oder er­folgt von Sei­ten der Ver­kehrs­un­ter­neh­men keine Ant­wort, kann die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr um Ver­mitt­lung ge­be­ten wer­den. Die Ver­mitt­lung er­folgt in fol­gen­den Schrit­ten:

  • Nach einer Prü­fung auf Zu­läs­sig­keit des Ver­fah­rens bit­tet die Schlich­tungs­stel­le die Ge­gen­par­tei um eine Stel­lung­nah­me.
  • Bei Be­darf wer­den den Par­tei­en die ge­gen­sei­ti­gen Stand­punk­te zur Stel­lung­nah­me über­mit­telt oder aus­führ­li­che­re Stel­lung­nah­men ein­ge­holt. 
  • Falls die Ge­gen­par­tei der Be­schwer­de nicht ab­hilft, ent­schei­det die Schlich­tungs­stel­le, ob den Par­tei­en ein Schlich­tungs­vor­schlag un­ter­brei­tet wer­den kann. 
  • Der Schlich­tungs­vor­schlag ist eine Emp­feh­lung für eine ein­ver­nehm­li­che Bei­le­gung der Strei­tig­keit. Der Schlich­tungs­vor­schlag ori­en­tiert sich so­wohl an der ge­schil­der­ten Sach­la­ge als auch an der Rechts­la­ge. Dabei ist es auch mög­lich, dass eine Ku­lanz­lö­sung vor­schla­gen wird.
  • Der Schlich­tungs­vor­schlag hat keine bin­den­de Wir­kung. Eine Schlich­tung kommt nur zu Stan­de, wenn beide Sei­ten (Fahr­gast und Ver­kehrs­un­ter­neh­men) mit dem Schlich­tungs­vor­schlag ein­ver­stan­den sind.

Von den 3.109 Kun­den­ein­ga­ben im Jahr 2023 wur­den 2.797 Fälle (90 %) als Schlich­tungs­ver­fah­ren be­ar­bei­tet. In den meis­ten üb­ri­gen Fäl­len gaben Fahr­gäs­te der Schlich­tungs­stel­le einen Vor­gang zur Kennt­nis (300 Fälle). In we­ni­gen Fäl­len war die Kun­den­ein­ga­be un­zu­läs­sig oder wurde an an­de­re Stel­len wei­ter­ge­lei­tet (12 Fälle). 

Die 2.797 Schlich­tungs­ver­fah­ren wur­den wie folgt be­ar­bei­tet:

  • Bei 2.149 Schlich­tungs­an­trä­gen (77 %der Schlich­tungs­ver­fah­ren, die wei­ter­ver­folgt wur­den) muss­te der An­trag nach recht­li­cher Prü­fung als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen wer­den. Diese Ent­schei­dung teilt die Schlich­tungs­stel­le dem Fahr­gast mit unter An­ga­be der maß­ge­ben­den Grün­de.
  • In 597 Fäl­len (21 %) wurde den Be­tei­lig­ten ein Schlich­tungs­vor­schlag un­ter­brei­tet. 
    • 540 Schlich­tungs­vor­schlä­ge (90 %) wur­den von den Ver­kehrs­un­ter­neh­men an­ge­nom­men. 
    • 57 Schlich­tungs­vor­schlä­ge (10 %) führ­ten zu kei­nem Ein­ver­neh­men.
  • In 51 Fäl­len (2 %) ist das Ver­fah­ren in 2023 nicht ab­ge­schlos­sen wor­den.

(Quel­le: Be­richt über die Ar­beit der Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr im Jahr 2023, Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr, April 2024).

Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr führt re­gel­mä­ßig Aus­wer­tun­gen der ein­ge­hen­den Be­schwer­den durch. Hier­bei ori­en­tiert sie sich an dem Kri­te­ri­en­ka­ta­log des Ver­kehrs­ver­bun­des Rhein-​​​Ruhr (VRR), der von vie­len Ver­kehrs­un­ter­neh­men in Nordrhein-​​​Westfalen im Be­schwer­de­ma­nage­ment zu­grun­de ge­legt wird. Für den Aus­tausch mit den Ver­kehrs­un­ter­neh­men wird da­durch eine Ver­gleich­bar­keit er­reicht.

Die Ver­tei­lung der Kun­den­ein­ga­ben auf die Be­schwer­de­grün­de ist in Bild 2 dar­ge­stellt. Das Jahr 2023 wurde do­mi­niert durch die Ein­füh­rung des Deutschland-​Tickets. Beim Deutschland-​Ticket wur­den Pro­ble­me bei Bu­chun­gen, Kün­di­gun­gen, Ab­rech­nun­gen, Fahr­aus­weis­kon­trol­len und elek­tro­ni­schen An­zei­gen auf­ge­grif­fen. Das Thema „Ta­rif­an­ge­bot/Deutsch­land­ti­cket“ ver­dräng­te mit 28 % aller Ein­ga­ben die üb­li­cher­wei­se häu­figs­ten Be­schwer­de­grün­de „er­höh­tes Be­för­de­rungs­ent­gelt“ (sog. Schwarz­fah­rer, 25 %) und „Pünkt­lich­keit/Aus­fall“ (20 %) auf die Plät­ze zwei und drei. Auf feh­ler­haf­te In­for­ma­tio­nen ent­fie­len rund 7 % der Be­schwer­de­grün­de. Das Ver­hal­ten von Mit­ar­bei­ter*innen war in rund 5 % der Fälle Grund zur Be­schwer­de, was einem deut­li­chen Rück­gang ge­gen­über dem Vor­jahr ent­spricht (minus 10 Pro­zent­punk­te). Be­schwer­den in den Be­rei­chen ÖPNV-​​Angebot, Tech­nik, Kom­fort, Sau­ber­keit und Bar­rie­re­frei­heit er­rei­chen die Schlich­tungs­stel­le wei­ter­hin sel­ten.

Ak­teu­re


Die Schlich­tungs­stel­le wird vom Ver­ein „Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr e.V.“ als un­ab­hän­gi­ge Ein­rich­tung be­trie­ben. Der Ver­ein dient dem Zweck, Streit­fäl­le zwi­schen Ver­kehrs­un­ter­neh­men und Fahr­gäs­ten in Nordrhein-​​​Westfalen zu schlich­ten und da­durch den öf­fent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr zu för­dern. Zu den knapp 50 Mit­glie­dern des Ver­eins ge­hö­ren die Ver­brau­cher­zen­tra­le Nordrhein-​​​Westfalen e.V., der Ver­band Deut­scher Ver­kehrs­un­ter­neh­men e.V. (VDV) und zahl­rei­che Ver­kehrs­un­ter­neh­men aus NRW. 

Das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um NRW för­dert die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr, um dem An­spruch der Kund*innen auf mehr Qua­li­tät im NRW-​​​Nahverkehr Nach­druck zu ver­lei­hen und um lan­des­weit einen ein­heit­li­chen Leit­fa­den für den Um­gang mit Ent­schä­di­gungs­re­ge­lun­gen zu un­ter­stüt­zen. Fi­nan­ziert wird die Schlich­tungs­stel­le zu 70 Pro­zent aus Lan­des­mit­teln und zu 30 Pro­zent durch die im Ver­ein Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr or­ga­ni­sier­ten Bahn- und Bus­un­ter­neh­men.

Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr in Nordrhein-​​​Westfalen ist im Juli 2010 von der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on „no­ti­fi­ziert“ wor­den. Damit wurde von höchs­ter Stel­le an­er­kannt, dass diese Schlich­tungs­stel­le den Maß­stä­ben ent­spricht, wel­che die EU an die au­ßer­ge­richt­li­che Bei­le­gung von Ver­brau­cher­rechts­strei­tig­kei­ten stellt (Emp­feh­lung 98/257/EG). 

Seit De­zem­ber 2017 ist die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr an­er­kann­te Schlich­tungs­stel­le nach dem Ver­brau­cher­streit­bei­le­gungs­ge­setz (VSBG). Das be­stä­tigt, dass die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr den Be­tei­lig­ten ein Ver­fah­ren an­bie­tet, das den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben und Rah­men­be­din­gun­gen an Schlich­tungs­ver­fah­ren ent­spricht.

Pro­ble­me und Auf­ga­ben


Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr soll auch künf­tig allen Be­tei­lig­ten bei Be­schwer­den und Schlich­tun­gen zur Seite ste­hen und ihre Er­kennt­nis­se an die Ver­kehrs­un­ter­neh­men wei­ter­ge­ben. Durch die Grün­dung des Ver­eins „Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr e.V.“, die För­de­rung durch das Land NRW und die Mit­fi­nan­zie­rung sei­tens der Ver­kehrs­un­ter­neh­men konn­te der Fort­be­stand der Schlich­tungs­stel­le ge­si­chert wer­den. 

Die Schlich­tungs­stel­le Nah­ver­kehr war neben ihrer Tä­tig­keit als Kon­takt­stel­le für Fahr­gäs­te und Schlich­ter auch im Jahr 2023 in ver­schie­de­ne Fach­gre­mi­en und Fach­ver­an­stal­tun­gen ein­ge­bun­den und hat sich mit ak­tu­el­len Pro­blem­stel­lun­gen be­fasst:

  • In­for­ma­ti­on zum Deutschland-​Ticket, Be­ant­wor­tung zahl­rei­cher Medien-​ und Fahr­gast­an­fra­gen und Durch­füh­rung einer Um­fra­ge,
  • Be­reit­stel­lung eines Un­pünk­lich­keits­mel­ders im In­ter­net, über den Aus­fäl­le und Ver­spä­tun­gen ge­mel­det wer­den kön­nen,
  • Teil­nah­me am Er­fah­rungs­aus­tausch der an­er­kann­ten Schlich­tungs­stel­len im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Jus­tiz und Ver­brau­cher­schutz,
  • Mit­glied der Netz­werk­grup­pe Ver­brau­cher­streit­bei­le­gung des Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band e.V.,
  • Mit­ar­beit im Ar­beits­kreis „Ver­läss­li­cher öf­fent­li­cher Ver­kehr (ÖV)“ der For­schungs­ge­sell­schaft für das Stra­ßen­ver­kehrs­we­sen (FGSV),
  • Mit­glied im Netz­werk eu­ro­päi­scher Verkehrs-​​ und Rei­se­schlich­tungs­stel­len „Tra­vel­net“ und Teil­nah­me an di­gi­ta­len Ta­gun­gen,
  • Teil­nah­me an den Ligh­trail­days im März 2023 in Lu­xem­burg
  • Be­ant­wor­tung zahl­rei­cher Me­di­en­an­fra­gen in Fern­se­hen, Hör­funk und Print­me­di­en.