Schlichtungsstelle Nahverkehr
Mit der Schlichtungsstelle Nahverkehr haben Fahrgäste einen neutralen Partner bei Beschwerden und Entschädigungsforderungen im ÖPNV in NRW.
Bus- und Bahnkund*innen können bei der landesweit tätigen Schlichtungsstelle Nahverkehr Beschwerden oder Entschädigungsforderungen abgeben. Als neutrale Beratungsstelle kümmert sie sich dann um eine faire und unbürokratische Einigung.
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr wurde von der Verbraucherzentrale und dem Land NRW 2001 eingerichtet. 2007 übernahm der gemeinnützige Verein „Schlichtungsstelle Nahverkehr e.V.“ die Trägerschaft. Das Know-how der Verbraucherzentrale bei der außergerichtlichen Schlichtung wird weiter genutzt. Die Einrichtung einer solchen Schlichtungsstelle war nötig, da in weiten Teilen der Beförderungsbedingungen keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigungen durch die Nahverkehrsunternehmen bestehen. Die Schlichtungsstelle Nahverkehr versucht deshalb, Forderungen von Kund*innen auf Kulanz bei den Verkehrsbetrieben durchzusetzen.
Ausgangslage
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr konnte sich schnell als Plattform für die Schlichtung von Streitfällen zwischen Nahverkehrskund*innen und Verkehrsunternehmen etablieren und findet hohen Zuspruch. Im Jahr 2021 erreichten die Schlichtungsstelle rund 2.100 Anfragen und Beschwerden. Damit wird das Niveau der Vorjahre unterschritten (siehe Bild 1). Der Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 ist auf das veränderte Mobilitätsverhalten während der Corona-Pandemie zurückzuführen. Insbesondere Homeoffice, Kurzarbeit und eingeschränkter bzw. stillgelegter Schul- und Hochschulbetrieb haben zu einem deutlichen Rückgang der Fahrgastzahlen geführt. Der vergleichsweise moderate Rückgang der Beschwerden zeigt, dass die Möglichkeit, die Schlichtungsstelle Nahverkehr einzuschalten, dennoch stark genutzt wurde.
Auch andere Einflüsse führen dazu, dass die Zahl der Anfragen und Beschwerden über die Jahre gewissen Schwankungen unterworfen ist. Hierzu zählen insbesondere unterschiedliche Witterungsverhältnisse und die Anzahl langwieriger Baustellen. Als ein wesentlicher Grund für den starken Anstieg der Beschwerden ab 2017 ist die Umsetzung der Hinweispflichten nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetzt (VSBG) anzusehen. Dieses Gesetz verpflichtet die Mitgliedsunternehmen zu einem Hinweis auf die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens im Rahmen der Beschwerdekorrespondenz sowie im Internet.

Die Tätigkeiten der Schlichtungsstelle stehen jedem Fahrgast kostenlos zur Verfügung. Bei Beschwerden und Entschädigungsforderungen sollen die Fahrgäste jedoch zunächst in direkten Kontakt mit den betroffenen Verkehrsunternehmen treten oder gegebenenfalls auf bestehende Angebote wie die „Pünktlichkeitsgarantie“ zurückgreifen. Kommt es dabei zu keiner Einigung oder erfolgt von Seiten der Verkehrsunternehmen keine Antwort, kann die Schlichtungsstelle Nahverkehr um Vermittlung gebeten werden.
Nach einer Prüfung auf Zulässigkeit des Verfahrens bittet die Schlichtungsstelle die Gegenpartei um eine Stellungnahme. Bei Bedarf werden den Parteien die gegenseitigen Standpunkte zur Stellungnahme übermittelt oder erweiterte Stellungnahmen eingeholt. Falls die Gegenpartei der Beschwerde nicht abhilft, wird von der Schlichtungsstelle entschieden, ob den Parteien ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet werden kann. Falls ja, wird dieser individuelle Vorschlag zum Interessenausgleich zwischen den Beteiligten auf Kulanzbasis und im Lichte der objektiven Sach- und Rechtslage erarbeitet. Der Schlichtungsvorschlag hat gegenüber den Beteiligten keine bindende Wirkung. Eine Schlichtung kommt nur zu Stande, wenn beide Seiten (Fahrgast und Verkehrsunternehmen) mit dem Schlichtungsvorschlag einverstanden sind.
Von den 2.084 Kundeneingaben im Jahr 2021 wurden 2.021 Fälle (97 %) als Schlichtungsverfahren bearbeitet. 63-mal (3 %) gaben Fahrgäste der Schlichtungsstelle einen Vorgang zur Kenntnis (Quelle: Bericht über die Arbeit der Schlichtungsstelle Nahverkehr im Jahr 20210).
Die 2.021 Schlichtungsanträge wurden wie folgt bearbeitet:
Bei 1.617 (80 %) der 2.021 Schlichtungsanträge musste der Antrag nach rechtlicher Prüfung als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung teilte die Schlichtungsstelle dem Fahrgast detailliert und begründet mit.
In 397 Fällen (20 %) wurde das Verfahren mit einem Schlichtungsvorschlag abgeschlossen. 291 dieser Vorschläge (73 %) wurden von den Verkehrsunternehmen angenommen. 106-mal (27 %) konnte auch im Rahmen des Schlichtungsverfahrens keine Neubewertung des Vorgangs erreicht werden.
7 Fälle (0,3 %) verteilen sich auf unzulässige, unbegründete oder an andere Stellen weitergeleitete Verfahren.
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr führt regelmäßig Auswertungen der eingehenden Beschwerden durch. Hierbei orientiert sie sich an dem Kriterienkatalog des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), der von vielen Verkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen im Beschwerdemanagement umgesetzt wird. Dadurch wird für den Austausch mit den Unternehmen eine Vergleichbarkeit erreicht. Abweichend davon werden wegen der besonderen Bedeutung in der Fallbearbeitung die erhöhten Beförderungsentgelte gesondert erfasst. Die Verteilung der Kundeneingaben auf die Beschwerdegründe ist in Bild 2 dargestellt. Da Fahrgäste sich teilweise mit mehreren Gründen an die Schlichtungsstelle wenden, liegt die Anzahl der Beschwerdegründe mit 2.108 höher als die Anzahl der Kundeneingaben.
Neben den 35% tariflichen Beschwerden, die fast ausschließlich die erhöhten Beförderungsentgelte (sog. Schwarzfahrer) betreffen, sind Pünktlichkeit/Ausfall (26%), Verhalten von Mitarbeitern (16%), Tarifangebot (9%) und fehlerhafte Informationen (8%) wie in den Vorjahren die Hauptbeschwerdegründe. Beschwerden in den Bereichen ÖPNV-Angebot, Technik, Komfort, Sauberkeit und Barrierefreiheit erreichen die Schlichtungsstelle weiterhin deutlich seltener.

Akteure
Das Verkehrsministerium NRW fördert die Schlichtungsstelle Nahverkehr von Anfang an als einen elementaren Bestandteil des „Masterplan Qualität“, um dem Kund*innenanspruch auf mehr Qualität im NRW-Nahverkehr Nachdruck zu verleihen und landesweit einen einheitlichen Leitfaden für den Umgang mit Entschädigungsregelungen zu unterstützen.
Die Schlichtungsstelle wurde bis 2009 vollständig durch das Verkehrsministerium NRW finanziert. Die Fördersumme bestand aus einem Sockelbetrag und einer Fallpauschale. Anschließend wurde die Fallpauschale vom Verkehrsministerium jährlich um jeweils 20 Prozent gekürzt, der Sockelbetrag blieb unverändert. 2012 haben sich die NRW-Landesregierung, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Verbraucherzentrale NRW auf eine weitere gemeinsame Fortführung der Schlichtungsstelle geeinigt. Finanziert wird die Schlichtungsstelle seitdem zu 70 Prozent aus Landesmitteln und zu 30 Prozent durch die im VDV NRW organisierten Bahn- und Busunternehmen.
Seit November 2007 wird die Schlichtungsstelle vom Verein „Schlichtungsstelle Nahverkehr e.V.“ als unabhängige Einrichtung betrieben. Der Verein dient dem Zweck, Streitfälle zwischen Verkehrsunternehmen und Fahrgästen in Nordrhein-Westfalen zu schlichten und dadurch den öffentlichen Personennahverkehr zu fördern. Zu den knapp 50 Mitgliedern des Vereins gehören die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) und zahlreiche Verkehrsunternehmen aus NRW.
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen ist im Juli 2010 von der Europäischen Kommission „notifiziert“ worden. Damit wurde von höchster Stelle anerkannt, dass die im September 2007 durch den Verein Schlichtungsstelle Nahverkehr e. V. gegründete Schlichtungsstelle Nahverkehr mit Sitz in Düsseldorf den Maßstäben, welche die EU an die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten stellt, entspricht (Empfehlung 98/257/EG).
Seit Dezember 2017 ist die Schlichtungsstelle Nahverkehr anerkannte Schlichtungsstelle nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Das bestätigt, dass die Schlichtungsstelle Nahverkehr den Beteiligten ein Verfahren anbietet, das den gesetzlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen an Schlichtungsverfahren entspricht.
Probleme und Aufgaben
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr soll auch künftig allen Beteiligten bei Beschwerden und Schlichtungen zur Seite stehen und ihre Erkenntnisse an die Verkehrsunternehmen weitergeben. Durch die Gründung des Vereins „Schlichtungsstelle Nahverkehr e.V.“ konnte der Fortbestand der Schlichtungsstelle langfristig gesichert werden.
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr war neben ihrer Tätigkeit als Kontaktstelle für Fahrgäste und Schlichter auch im Jahr 2021 in verschiedene Fachgremien und Fachveranstaltungen eingebunden und hat sich mit aktuellen Problemstellungen befasst:
Die Schlichtungsstelle Nahverkehr evaluierte, basierend auf der eigenen Datenbank, ihre Falleingänge zur bundesweit einzigartigen Mobilitätsgarantie NRW.
In einer Evaluation ließ die Schlichtungsstelle ihre Arbeit extern überprüfen. Fahrgäste und Verkehrsunternehmen, die an einem Schlichtungsverfahren teilgenommen haben, wurden mit dem Ziel befragt Verbesserungspotenziale innerhalb der Schlichtungsverfahren zu identifizieren.
Seit der Neugestaltung der Homepage bietet sie den Parteien im Verfahren einen leichteren und übersichtlicheren Zugang. Gerade in der Zeit des Lockdowns informierte die Schlichtungsstelle hier laufend aktuell über die geltenden Regelungen zu Tickets und Vorgaben im ÖPNV und half mit Tipps zu einem sicheren Fahren vom Start bis zum Ziel.
Die Schlichtungsstelle setzte ihre Mitarbeit in der Forschungsgesellschaft für das Straßenverkehrswesen (FGSV) im Arbeitskreis „Verlässlicher öffentlicher Verkehr (ÖV)“ fort.
Die Schlichtungsstelle ist Mitglied im Netzwerk europäischer Verkehrs- und Reiseschlichtungsstellen „Travelnet“ und hat an digitalen Tagungen teilgenommen.
Beantwortung zahlreicher Medienanfragen in Fernsehen, Hörfunk und Printmedien.
Der intensive Austausch mit den Zweckverbänden als Besteller der SPNV-Leistungen wird zunehmend wichtiger, damit überprüfbare Qualitätskriterien bereits in Leistungsausschreibungen aufgenommen werden können. Auf diese Weise erhalten sowohl die Zweckverbände als auch die Fahrgäste Grundlage und Sicherheit für die Abgeltung von Ausgleichsforderungen. Zudem werden zweifache Pönalen (Vertragsstrafe und direkte Ausgleichsleistungen an den Fahrgast) für SPNV-Verkehrsunternehmen bei Schlechtleistung vermieden.