Eine Seilbahn mit kleinen Kabinen schwebt über einer Großstadt.
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Seilbahnen im ÖPNV

Ver­öf­fent­licht am

Seilbahnen sind in erster Linie bekannt als Anlagen für den Personentransport in Bergregionen. Sie befördern Touristen, Besucher von Freizeiteinrichtungen oder Wintersportler. In verschiedenen internationalen Metropolen gibt es aber auch Seilbahnen, die Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes sind und mit dem Nahverkehrs-Tarif genutzt werden können. Könnte das in Zukunft auch in NRW Realität werden? Mehrere Städte haben Konzepte für eine Seilbahn entwickelt und Gutachten zur Umsetzbarkeit erstellen lassen. Bund und Land NRW unterstützen die Implementierung von urbanen Seilbahnen als Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Angebots. 

Ausgangslage


Der Begriff „Seilbahnen“ umfasst Standseilbahnen, Seilschwebebahnen (Kabinen- und Sesselbahn) und Schlepplifte. Alle Seilbahnen spannen eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung auf. Seilschwebebahn können Hindernisse überqueren. Der nachfolgende Text befasst sich mit urbanen Seilschwebebahnen als Umlaufbahnen: viele kleine Kabinen bewegen sich in kurzen Abständen an einem umlaufenden Seil (im Unterschied zu einer Pendelbahn, bei der große Kabinen zwischen zwei Stationen hin- und herpendeln). Dieser Seilbahntyp wird nachfolgend kurz als Seilbahn bezeichnet.

Vorreiter bei der Integration von Seilbahnen in das Nahverkehrsangebot sind Metropolen in Lateinamerika. Das größte Seilbahnnetz der Welt gibt es in La Paz und der benachbarten Stadt El Alto in Bolivien. Die erste Linie von „Mi Teleférico“ (übersetzt: meine Seilbahn) wurde 2014 eröffnet. Inzwischen zählt das Netz zehn Linien, weist eine Gesamtlänge von 33 Kilometern auf, bedient 36 Stationen und befördert über 300.000 Fahrgäste täglich. Auch in Mexiko City und Medellín (Kolumbien) bestehen Seilbahnsysteme aus mehreren Linien, die Teil des lokalen ÖPNV-Angebots sind.

 

In Europa existieren nur wenige urbane Seilbahnen als Teil des öffentlichen Nahverkehrs. 

  • In Toulouse verbindet die Seilschwebebahn Teleo als Dreiseilumlaufbahn seit 2022 auf ihrer 3 km langen Trasse in 10 Minuten ein Facharztzentrum und ein Krankenhaus mit der U-Bahn (Haltestelle Universität). Die 15 Gondeln überqueren mehrere Straßen, einen Fluss und einen Höhenzug.
  • In Luxemburg Stadt überbrück seit 2017 eine Standseilbahn den Höhenunterschied von 40 m zwischen einem neuen SPNV-Haltepunkt im Alzette-Tal und dem Kirchberg-Plateau. Die Bergstation liegt direkt an einer Straßenbahnhaltestelle, sodass die Standseilbahn bestens in das ÖPNV-Netz integriert ist.
  • Eine Seilschwebebahn (Einseilumlaufbahn) im Großraum Paris wird voraussichtlich Ende 2025 in Betrieb gehen. Câble C1 bietet vier Gemeinden im Département Val-de-Marne im Südosten von Paris eine direkte Anbindung an die Pariser Metro. Die 4,5 km lange Strecke mit 5 Stationen werden die 105 Kabinen in ca. 18 Minuten zurücklegen.

Die Merkmale einer urbanen Seilbahn (hier Seilschwebebahn als Umlaufbahn) sind:

  • Der Verkehr wird vom Straßenniveau in eine zusätzliche Verkehrsebene (Plus-Eins-Ebene) verlagert. So können Höhenunterschiede, Wasserflächen oder Verkehrsflächen (z. B. Gleisanlagen) überwunden werden. Der Betrieb ist unabhängig von den Verkehrsverhältnissen im Straßennetz, eine Trenn-/Barrierewirkung durch die Seilbahntrasse bleibt aus.
  • Seilbahnen sind für aufkommensstarke Punkt-zu-Punkt-Relationen geeignet. Eine Verzweigung ist nur an (Zwischen-)Stationen möglich. Zwischenstationen können eingerichtet werden und erhöhen die Erschließungswirkung.
  • Durch die im Vergleich zum SPNV oder U-Bahnen geringen Geschwindigkeiten von 20 bis 30 km/h (abhängig von der Bauart) eignen sich Seilbahnen eher für kurze Strecken. Bislang liegt die Länge projektierter Seilbahnen meist unter 5 km. Technisch sind auch längere Verbindungen möglich.
  • Seilbahnen kommen als „Stetigförderer“ ohne Fahrplan aus. Die Kabinen bieten Platz für 8-15 Personen und kommen in kurzen Abständen zum Einsatz, wodurch eine kontinuierliche Beförderung ermöglicht wird. Aufgrund der Kabinengröße ist die Beförderungskapazität trotz des dichten Takts allerdings begrenzt. Falls Fahrgäste im Pulk an den Stationen ankommen (z. B. Veranstaltungsverkehr oder Umsteiger vom SPNV) können Wartezeiten entstehen.
  • Die Beförderungskapazität hängt von der Bauart der Seilbahn ab:
    • Einseilumlaufbahn (ein Seil als Trag- und Zugseil): Kabinen fassen 8 bis 10 Fahrgäste, Gesamtförderkapazität liegt im 30-Sekunden-Takt bei 960 – 1.200 Personen pro Stunde und Richtung
    • Zweiseilumlaufbahn (zwei Seile, d.h. ein Trag- und ein Zugseil): Kabinen fassen 10 bis 15 Fahrgäste, Gesamtförderkapazität liegt im 30-Sekunden-Takt bei 1.200 - 1.800 Personen pro Stunde und Richtung
    • Dreiseilumlaufbahn (drei Seile, d.h. zwei Tragseile und ein Zugseil): Kabinen fassen 10 bis 15 Fahrgäste, Gesamtförderkapazität liegt im 30-Sekunden-Takt bei 1.200 - 1.800 Personen pro Stunde und Richtung

      Die Beförderungskapazität lässt sich durch einen dichteren Takt steigern. Z.B. verkehrt die Einseilumlaufbahn Mi Teleférico in Bolivien im 9- bis 12-sec-Takt und erreicht eine maximale Beförderungsleistung von 4.000 Personen pro Stunde und Richtung.

  • Seilbahnen weisen einen geringen Flächenverbrauch auf und damit einhergehend eine geringe Flächenversiegelung. Die erforderlichen Stützen können auf kleiner Grundfläche errichtet werden. Die Stationen sind in einer aufgeständerten Bauart oberhalb der bestehenden Verkehrsinfrastruktur möglich. Dennoch ist eine verträgliche Integration der Anlagen (Stationen und Stützen) in den städtischen Verkehrsraum bzw. in die gewachsene Stadtstruktur häufig schwierig und erfordert einen aufwändigen Planungsprozess.
  • Für Stützen und Stationen werden vorgefertigte Elemente verwendet. Das ermöglicht nicht nur kurze Fertigstellungszeiten, sondern ist auch deutlich kostengünstiger als der Bau einer städtischen Bahnanlage.
  • Personal wird ausschließlich an den Stationen benötigt, daher kommen Seilbahnen mit niedrigem Personaleinsatz aus.
  • Der elektrische Antrieb ermöglicht einen vor Ort schadstofffreien Betrieb. Außerdem wird eine hohe Energieeffizienz erreicht, die sowohl auf die technische Konstruktion (gegenseitige Aufhebung der Massenverhältnisse und Windwiderstände) als auch auf äußerst energieeffiziente Direktantriebe in den Stationen mit hohen Wirkungsgraden zurückzuführen ist. Auf der Strecke ist die Seilbahn leise. Geräusche entstehen aber in den Bereichen rund um die Stützen und Stationen.
  • Als nachhaltiges und nicht alltägliches Verkehrsmittel verleihen Seilbahnen der Stadt ein modernes Image und stellen in besonderen Lagen auch für Touristen einen Anziehungspunkt dar.
  • Eingesetzt wird eine erprobte und zuverlässige Technik.
  • Einschränkung für den Betrieb sind bei starkem Unwetter (Sturm, Gewitter) möglich. Die Beförderung muss ggf. eingestellt werden.

Quelle der technischen Daten: Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr - Handlungsleitfaden für Kommunen, Verkehrsunternehmen und Verbünde, BMVD, 2022 

Akteure


Das Gesetz über die Seilbahnen in Nordrhein-Westfalen (SeilbG NRW) regelt die Planung, den Bau und Betrieb von Seilbahnen in NRW. Mit der 2021 beschlossenen Novellierung wurde das Seilbahn-Gesetz an geltendes EU-Recht angepasst und der Weg bereitet für eine einfachere Durchführung von Vorhaben. Hierzu wurde die Durchführung des Plangenehmigungsverfahrens als vereinfachtes Verfahren in das neue Gesetz als Regelfall aufgenommen. Zudem wurde die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Plangenehmigungsverfahrens auf Vorhaben mit Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung durch spezielle Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht. So können neue Lösungen für den ÖPNV schneller als bislang umgesetzt werden.

Mit dem 2022 veröffentlichten Handlungsleitfaden „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehrunterstützt das Bundesverkehrsministerium Kommunen oder kommunale Verkehrsunternehmen bei der Realisierung von Seilbahnprojekten von der Projektidee über die Planung und den Bau bis zum Betrieb.

Das Bundesverkehrsministerium hat 2022 mit der Neuregelung des Gesetzes zur Gemeindeverkehrsfinanzierung (GVFG) Seilbahnsysteme in den Katalog der förderungsfähigen Vorhaben aufgenommen. Damit ist die Seilbahn bei der öffentlichen Förderung anderen Verkehrsmitteln gleichgesetzt und kann bis zu 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten mit Bundesmitteln gefördert werden. Die Bundesländer können eine Ko-Finanzierung bei den im Rahmen des GVFG-Bundesprogramms geförderten Projekten übernehmen. Dadurch kann sich ein Fördersatz von über 90 % ergeben. 

Für eine Förderung des Bundes nach GVFG ist ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit durch eine Standardisierte Bewertung notwendig. Seit 2022 sind bei der Überarbeitung des Verfahrens zur Standardisierten Bewertung (Version 2016+) auch Verfahrensansätze zur Bewertung von neuen Fördertatbeständen (u.a. für Urbane Seilbahnen) entwickelt worden.

Projekte in NRW

Das am weitesten fortgeschrittene urbane Seilbahnprojekt in Deutschland wird in Bonn vorangetrieben. Geplant ist eine rund 4,3 km lange Seilschwebebahn vom rechtsrheinischen Ramersdorf über den Rhein und das Bundesviertel hoch auf den Venusberg mit dem Universitätsklinikum. Damit wird der öffentliche Verkehr um eine neue Ost-West-Achse ergänzt. An den fünf Stationen soll eine Verknüpfung mit dem bestehenden ÖPNV hergestellt werden. Angestrebt wird eine Streckenführung entlang von städtischen Grundstücken und Straßenzügen. Für die Gesamtstrecke wird eine Halbierung der Reisezeit im ÖPNV auf rund 20 Minuten erwartet.

Bereits 2017 ist die technische Machbarkeit einer Seilbahn auf den Venusberg festgestellt worden. 2021 ergab die vorläufige Standardisierte Bewertung, dass die Seilbahn mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,6 gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist. 2022 ist das Projekt in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes NRW und den darauf aufbauenden ÖPNV-Infrastrukturfinanzierungsplan aufgenommen worden. Aktuell konkretisiert die Stadt Bonn die Planungen weiter z.B. durch die Überarbeitung der Streckenführung, die Beauftragung von Bodengutachten, meteorologischen Gutachten und eine Umweltverträglichkeitsprüfung. 

 

In Herne soll im Stadtteil Wanne-Eickel in einigen Jahren ein Technologiepark in der Nähe des Hauptbahnhofs entstehen. Die Stadt möchte die Verbindung dorthin mit einer urbanen Seilbahn aufspannen. Zwar liegt der Bahnhof nur wenige Hundert Meter vom Gelände entfernt, allerdings getrennt durch weitläufige Gleisanlagen. Eine Brücke oder ein Tunnel zur Verbindung mit dem Hauptbahnhof wären aus Sicht der Stadt wesentlich aufwändiger und weniger attraktiv. Die Machbarkeit einer Seilbahn an diesem Standort konnte bereits durch Studien nachgewiesen werden.

Die Stadt Duisburg entwickelt derzeit gemeinsam mit der Duisburger Baugesellschaft mehrere neue Wohn- und Arbeitsplatzstandorte südlich des Hauptbahnhofs und im Stadtteil Wedau. Zwischen den Entwicklungsgebieten liegen mehrere große sportliche Zentren wie das Fußballstadion und die Regattabahn. Bei der Anbindung der Duisburger Entwicklungsgebiete bestehen Herausforderungen aufgrund mehrerer zu querende Bahnanlagen, den Wasserflächen der Regattabahn und eines Sees. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Konzeptstudie eine mögliche Seilbahntrasse mit sieben Stationen und einer Länge von 5,3 km entworfen. Aktuell läuft eine Studie, die unter anderem technische Details für eine Duisburger Seilbahn sowie eine Kosten-Nutzen-Berechnung erstellt.

Probleme und Aufgaben


Urbane Seilbahnen bereichern die Bandbreite der verfügbaren ÖPNV-Verkehrsmittel und eröffnen neue Optionen beim ÖPNV-Ausbau. Wie alle Verkehrsmittel haben auch urbane Seilbahnen systemspezifische Vor- und Nachteile, die sie für bestimmte Anwendungsfälle prädestinieren. In Machbarkeitsuntersuchungen und Voruntersuchungen sind neben der Seilbahn daher auch andere Verkehrsmittel zu betrachten. 

Bei der Realisierung einer urbanen Seilbahn handelt es sich um ein neues Verkehrsangebot in Deutschland. Daher ist zunächst noch von einem etwas längerem Planungsprozess auszugehen. Erste Projekte in Deutschland könnten mittelfristig realisiert werden und zu einer Beschleunigung weiterer Projekte beitragen. 

Anders als z.B. in Lateinamerika, wo vor dem Bau der Seilbahnen kein leistungsstarkes ÖPNV-Angebot vorhanden war, werden Seilbahnen in Deutschland das vorhandene Angebot ergänzen. Maßgeblicher Anwendungszweck wird hier das Schließen von Angebotslücken sein, bei der die Seilbahn durch das Überbrücken und Überwinden topografischer, baulicher oder verkehrlicher Hindernisse ihren Vorteil ausspielen kann. Dabei ist sowohl die Verknüpfung mit dem vorhandenen ÖPNV-Netz als auch die Integration in den örtlichen Tarif wesentlich für den Erfolg. 

Durch eine projektbegleitende Öffentlichkeitsarbeit wird Bürger*innen die Möglichkeit zur Information und Beteiligung geboten. Das Verkehrsmittel Seilbahn wird häufig mit alpinem Freizeitsport verbunden, die möglichen Vorteile beim Einsatz im urbanen Raum sind dagegen wenig bekannt. Umso wichtiger ist eine projektbegleitende Öffentlichkeitsarbeit über den Einsatz einer urbanen Seilbahn. 

Bei Infrastrukturprojekten bestehen meistens Interessenkonflikte. Durch die Führung der Seilbahn in der Plus-Eins-Ebene können Konflikte durch die Beeinträchtigung des Stadt- und Landschaftsbilds oder bei der Überquerung von Privatgrundstücken entstehen. Bei Seilbahnen werden hier häufig der mögliche Einblick in das Privatgelände und der Schattenwurf durch die Kabinen genannt. Das Überschweben von privaten Wohngrundstücken sollte daher möglichst vermieden werden, um die Ablehnung von Seilbahnen zu reduzieren. Auch im Interesse einer Beschleunigung des Planungsprozesses sollte ein Überqueren von Privatgrundstücken vermieden werden, da ansonsten die Zustimmung der Grundstückseigentümer erforderlich ist. Diese erfordert gegebenenfalls einen längeren Rechtsweg. Bei den aktuell in Deutschland geplanten Projekten wird Privateigentum daher von vorneherein bei der Trassenfindung ausgespart. 

Seilbahnhersteller, Startup-Unternehmen und Hochschulen arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung seilgezogener Verkehrsangebote. Hierbei werden sowohl neue Ansätze verfolgt als auch bestehende Systeme und Komponenten weiterentwickelt, wie z. B. der autonome Betrieb von Seilbahnen. Erste Anlagen ohne örtliches Personal an den Stationen wurden bereits in Wintersportregionen realisiert. Die Entwicklung neuer Systeme verfolgt z. B. das Ziel, die Einfachheit und Kompaktheit einer Einseilumlaufbahn mit der Kraft eines Dreiseil-Systems zu kombinieren. So lassen sich eine höhere Windstabilität und längere Seilfelder erreichen, wodurch weniger Stützen notwendig sind. Bei der Forschung im Projekt „upBus“ der RWTH Aachen wird ein hybrider Ansatz zwischen autonomem Straßentransport und Seilbahntechnik verfolgt.