Grafik eines autonom fahrenden Kleinbusses.
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Autonomes Fahren im ÖPNV

Ver­öf­fent­licht am

Autonome Fahrzeuge werden als wegweisende Technologie für unsere Zukunft gehandelt, weil sie vollständig fahrerlos betrieben werden können. Gilt das auch für Fahrzeuge des ÖPNV? Wenn ja, kann autonomes Fahren das bestehende ÖPNV-Angebot verbessern?

Ausgangslage


Weltweit werden bereits zahlreiche U-Bahn-Systeme vollautomatisch betrieben. In Europa fahren inzwischen in mehr als 15 Städten U-Bahnen vollautomatisch, weitere Städte realisieren oder planen derzeit den fahrerlosen Betrieb. Deutschlands erste vollautomatisierte, fahrerlose U-Bahn-Linie fährt seit 2008 in Nürnberg. Auch Schienenbahnen wie der Flughafenzugbringer Skytrain in Düsseldorf und die H-Bahn auf dem Hochschulgelände in Dortmund werden fahrerlos betrieben. Hier ist autonomes Fahren möglich, weil es in unabhängigen, geschlossenen Systemen stattfindet, die sich mit einheitlicher Fahrzeugflotte auf eigenem Bahnkörper bewegen.

Züge, Straßenbahnen, Busse und Pkw fahren dagegen in einem offenen System, d.h. sie teilen sich die Infrastruktur mit anderen Verkehrsteilnehmern (im öffentlichen Straßennetz, an Bahnübergängen). Für einen sicheren autonomen Betrieb liegen deshalb die Anforderungen hier deutlich höher. Moderne Sensorik-Systeme zur Umfelderfassung (Kameras, Radar, Lidar) und fortschrittliche Algorithmen sind erforderlich, um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Außerdem muss ein rechtlicher Rahmen für einen fahrerlosen Betrieb bestehen.

Im Schienenverkehr werden die Automatisierungsgrade in vier Stufen unterteilt, die den Umfang der Automatisierung und die Rolle des Personals definieren (Grade of Automation Level GoA1 bis GoA4). Ab Stufe 3 wird von einem fahrerlosen Zugbetrieb gesprochen: 

  • GoA3 ist der begleitete fahrerlose Zugbetrieb. Statt einer ständigen Kontrolle durch einen Fahrer gibt es nur noch einen Zugbegleiter. Dieser ist für die Türsteuerung zuständig und kann über einen Hilfsführerstand den Zug steuern.
  • GoA 4 steht für einen vollautomatischen, fahrerlosen Zugbetrieb. Hier befindet sich kein Betriebspersonal mehr im Zug und alle Operationen sind automatisiert. Die Leitstelle kann jedoch bei außergewöhnlichen Vorkommnissen in den Zugbetrieb eingreifen. 

Für den Straßenverkehr wird zwischen fünf Automatisierungsstufen („Level“) unterschieden (SAE-Level 1 bis 5, wobei SAE für Society of Automotive Engineers steht). Ab SAE-Level 4 wird von autonomem Fahren gesprochen: 

  • SAE-Level 4: Die Fahrzeuge übernehmen innerhalb eines örtlich begrenzten Betriebsbereichs die vollständige Fahrzeugführung. Das System kann jederzeit selbstständig einen risikominimalen Zustand erreichen, beispielsweise zum Stehen kommen.
  • SAE-Level 5: Die Fahrzeuge erfüllen die gleichen Aufgaben in einem unbegrenzten Betriebsbereich.

Als weltweit erstes Land hat Deutschland einen umfassenden Rechtsrahmen für autonomes Fahren im Straßenverkehr geschaffen. Ziel des im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzes zum autonomen Fahren ist es, den Regelbetrieb autonomer Kraftfahrzeuge (Level 4) einzuläuten. 2022 ist mit der Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (kurz: AFGBV) eine konkretisierende Rechtsverordnung geschaffen worden. Seitdem besteht ein Rechtsrahmen für die Verkehrszulassung und den Betrieb autonomer Kraftfahrzeuge. Der Einsatz autonomer Fahrzeuge bleibt zunächst allerdings auf behördlich genehmigte Einsatzgebiete beschränkt (sog. festgelegte Betriebsbereiche). Zudem ist eine externe Aufsichtsperson (sogenannte Technische Aufsicht) als menschliche Rückfallebene vorgeschrieben.

Akteure


Geschlossene Systeme

Beispiele für einen fahrerlosen Betrieb im geschlossenen System sind in Deutschland die H-Bahn in Dortmund und die U-Bahn in Nürnberg. Die H-Bahn Dortmund ist eine vollautomatisch gesteuerte Großkabinenbahn (GoA 4). Eingebunden in den örtlichen Tarif (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr) befördert die H-Bahn Fahrgäste im Bereich der Technischen Universität Dortmund. Bereits 1984 wurde sie dem öffentlichen Verkehr übergeben und gilt als erste Anlage ihrer Art in Deutschland.

Die erste und bislang einzige vollautomatisierte, fahrerlose U-Bahn Deutschlands (GoA 4) fährt seit 2008 in Nürnberg. Zunächst im Mischbetrieb mit einer herkömmlich per Fahrer gesteuerten Linie, verkehren hier seit 2010 zwei vollautomatische U-Bahn-Linien im 100-Sekunden-Takt und damit doppelt so häufig wie bei manueller Steuerung möglich wäre.

Offene Systeme

Bislang fahren weltweit keine autonomen SPNV-Fahrzeuge. Möglichkeiten für automatisierten Betrieb werden aber auch im offenen Schienennetz untersucht. Beispielsweise testet Hamburg seit 2022 die automatisierte S-Bahn auf der Linie S2 zwischen Berliner Tor und Bergedorf. Hochautomatisierte Züge übernehmen das Anfahren, Beschleunigen, Bremsen und Halten, werden aber noch durch einen Fahrer überwacht. Die vier bereits in Betrieb genommenen Züge der Linie S2 wurden mit Balisenantennen, Radar sowie den Zugsteuerungssystemen Automatic Train Operation (ATO) und European Train Control System (ETCS) ausgestattet. Außerdem wurde die Infrastruktur entlang der Strecke aufgerüstet. Langfristiges Ziel in Hamburg ist die komplette Digitalisierung des S-Bahn-Betriebs. 

Im Straßenverkehr sindinternational autonome Fahrzeuge insbesondere im Westen der USA und in China im Fahrgasttransport zu finden. Hier finden bereits buchbare Shuttlefahrten ohne Begleitperson statt. In Europa sind derzeit noch keine Level-4- oder Level-5-Fahrzeuge im straßengebundenen ÖPNV im Einsatz. In Deutschland werden in mehreren Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit autonomen Kleinbussen oder Pkw jedoch Erfahrungen gesammelt, derzeit in der Stufe 4 (autonomer Betrieb in einem örtlich begrenzten Betriebsbereich) mit Sicherheitsbegleiter. Die Projekte werden durch Bund, Länder und Kommunen gefördert. 

In NRW gehört der Altstadtstromer in Monheim am Rhein dazu. Seit 2020 verbinden batterie-elektrische Kleinbusse automatisiert die historische Monheimer Altstadt mit dem zentralen Busbahnhof auf einem 1,7 km langen Linienweg. Sie bilden die erste automatisierte Kleinbusflotte Deutschlands, die im regulären Linienbetrieb eingesetzt wird. Bedingt durch die Zulassung liegt die Maximal-Geschwindigkeit bei 16 km/h. Eingesetzt werden elektrische Kleinbusse des Typs Easymile EZ10. Die Busse sind mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die Gefahren frühzeitig erkennen und den Bus an Haltestellen sowie in Gefahrensituationen stoppen können. Im Notfall könnte aber auch der mitfahrende Sicherheitsbegleiter eingreifen. Der Altstadtstromer ist eingebunden in das EU-Förderprojekt SHOW sowie auf Bundesebene in das Forschungsprojekt SAFESTREAM.

Im Forschungsprojekt KIRA (KI-basierter Regelbetrieb Autonomer On-Demand-Verkehre) arbeiten die Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH und die Deutsche Bahn AG mit weiteren Partnern an einem On-Demand-Angebot mit autonomen Fahrzeugen. Die Fahrzeuge nehmen am Straßenverkehr mit regulärer Geschwindigkeit teil, wobei die Fahrmanöver gegenwärtig noch vom technischen Aufsichtspersonal im Fahrzeug überwacht werden. Die Level-4-Erprobungsgenehmigung hat das Kraftfahrt-Bundesamt hierfür erteilt. Zukünftig sollen die Shuttle ohne Sicherheitsfahrer betrieben werden. Eingesetzt wird das Elektroauto NIO ES8 mit dem eingebauten autonomen Fahrsystem von Mobileye. Die ersten autonomen Shuttle sind seit Juni 2024 schrittweise in den Testbetrieb gestartet. Die Fahrzeuge lernen auf den Testfahrten mit Hilfe vorliegender Karten- und Verkehrsdaten zunächst das Bedienungsgebiet kennen. Dabei wird geprüft, wie sich die Fahrzeuge auf den vorgegebenen Strecken und den dort existierenden Verkehrssituationen verhalten. Der Erprobungsbetrieb umfasst Gebiete in der Stadt Darmstadt sowie im Westen des Kreises Offenbach. Die Fahrzeuge bewegen sich frei im Erprobungsgebiet und wählen die beste Route. 

Der VDV bietet auf seiner Internetseite einen Überblick über verschiedene autonome Shuttle-Bus-Projekte im ÖPNV in Deutschland. 

Im Rahmen des vom Bundesverkehrsministerium finanzierten Forschungsprojektes „Integration automatisierter Verkehrsmittel in den städtischen öffentlichen Raum“ ist 2024 das „Handbuch mit Vorschlägen für die Umsetzung in der kommunalen Praxis“ erarbeitet worden. Das Handbuch bündelt Informationen zur Planung und Realisierung eines Einsatzes autonomer Busse im öffentlichen Verkehr.

Probleme und Aufgaben


Autonome U-Bahnen bieten heute schon zahlreiche Vorteile. Sie ermöglichen eine höhere Kapazität, indem Züge in kürzeren Abständen fahren können. Z. B. sind in Nürnberg seit der Automatisierung Zugfolgen im 100-Sekunden-Takt möglich. Damit fahren die U-Bahnen doppelt so häufig wie früher. Durch die optimierte Fahrweise werden eine hohe Pünktlichkeit erreicht, Energiekosten gesenkt sowie Wartungs- und Verschleißkosten reduziert. Außerdem bieten sie eine Lösung für den zunehmenden Personalmangel im Fahrbetrieb (kein Fahrpersonal notwendig, Lenk- und Ruhezeiten müssen nicht eingehalten werden). Die Systeme können schnell und bedarfsgerecht auf zu- und abnehmendes Fahrgastaufkommen reagieren (z. B. bei Großveranstaltungen), ohne dass in die Personalplanung eingegriffen werden muss. Demgegenüber stehen im autonomen Betrieb aber auch höhere Investitionskosten in Fahrzeuge, Infrastruktur entlang der Strecke und Leitzentralen als im Betrieb mit Fahrpersonal. Außerdem sind die Herausforderungen hoch, die mit der Umsetzung eines hochkomplexen, digitalen Systems einhergehen. 

Nach der bereits vor mehr als 15 Jahren in Betrieb gegangenen ersten fahrerlosen U-Bahn in Deutschland wird aktuell mit der neuen U-Bahn-Linie U5 in Hamburg das zweite autonome U-Bahn-Projekt nach GoA 4 realisiert. 

Aber auch niedrigere Automatisierungsstufen bringen bereits Vorteile hinsichtlich der Energieeffizienz und Taktung der Fahrzeuge. In Hamburg wird die Teilautomatisierung (Stufe GoA 2) der U-Bahn-Linien U2 und U4 im Osten der Stadt aktuell realisiert. Die Fahrer*innen sind weiterhin für den Fahrgastwechsel verantwortlich und können im Bedarfsfall eingreifen. Die Fahrt selbst wird vollautomatisch über Rechner gesteuert erfolgen. Zusammen mit einer neuen Zugsicherungstechnologie, bei dem die U-Bahn-Fahrzeuge miteinander kommunizieren, ist der 100-Sekunden-Takt erreichbar. Im heutigen Betrieb liegt der kürzeste mögliche Regeltakt bei 2,5-Minuten (150 Sekunden). 

Für einen autonomen Betrieb im SPNV bestehen hohe Anforderungen aufgrund des offenen Systems. Bislang fahren weltweit keine autonomen Regional- und Fernzüge. Das Ziel im Schienenverkehr muss es sein, einen möglichst hohen Automatisierungsgrad zu erreichen, der für eine effiziente Zugfolge sorgt und wirtschaftliche Rentabilität fördert. Dabei bestehen in Deutschland große Herausforderungen. Moderne, mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgerüstete Strecken werden die Basis für den zukünftigen automatisierten Fahrbetrieb darstellen. Es dürfte aber noch Jahrzehnte dauern, bis eine Streckenausrüstung mit ETCS flächendeckend im deutschen Bahnnetz verfügbar ist.

Im Forschungsprojekt „Automatisiert fahrende Regionalzüge in Niedersachsen - ARTE“ wird daher eine Möglichkeit erprobt, nur durch die fahrzeugseitige Umrüstung (also ohne eine Streckenausrüstung mit ETCS) einen begleiteten, automatisierten Fahrbetrieb zu realisieren. Dabei werden Kamerasysteme im Fahrzeug für die Hindernis- und Signalerkennung eingesetzt und mit einem Verfahren zur Bilderkennung ausgewertet. Der Probebetrieb findet mit zwei Alstom Coradia LINT auf dem Alstom-Betriebsgelände in Salzgitter statt. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung und dem Betrieb helfen dabei, die spätere Zulassung voll automatisierter Züge vorzubereiten und den Regionalverkehr weiter zu automatisieren. Der Ansatz scheint insbesondere für schwach frequentierte Nebenstrecken interessant, die nachrangig mit ETCS ausgestattet werden. 

Für Straßenbahnen auf straßenbündigem Bahnkörper bestehen aufgrund der komplexen Verkehrssituation noch höhere Herausforderungen als im SPNV. Hier könnten autonome Rangierfahrten im Betriebshof oder Wendefahrten am Linienende ein erster Schritt zum autonomen Fahrbetrieb sein. 

Für das autonome Fahren im Straßenverkehr auf Level 4 und 5 sind die ersten rechtlichen Grundlagen in Deutschland geschaffen worden. Bis auf weiteres ist das autonome Fahren mit Begleitperson allerdings nur mit Ausnahmegenehmigung in festgelegten und genehmigten Betriebsbereichen erlaubt (Level 4). Bislang kommen hier Kleinbusse oder Pkw zum Einsatz. Die grundlegenden Funktionen der Umgebungswahrnehmung, Lokalisierung und Fahrzeugführung werden dabei zwar ausgeführt, erfordern aber ideale Umgebungsbedingungen und sind nicht resilient gegenüber temporären Änderungen. Außerdem ist es für die meisten der aktuell verfügbaren Technologien vor Betriebsbeginn erforderlich, die Fahrzeuge auf zuvor ausgewählten Strecken anzulernen.

Ähnlich wie U-Bahnen lassen auch autonome Busse im Regelbetrieb langfristig geringere Betriebskosten als konventionelle ÖV-Angebote mit Fahrpersonal erwarten. Eine optimierte Fahrweise führt zu ruhigerem Fahrverhalten ohne abrupte Beschleunigung-, Brems- oder Lenkmanöver sowie zu geringerem Verschleiß. Einsparungen beim Fahrbetrieb ergeben sich aber vor allem durch Wegfall der Kosten für das Fahrpersonal. Ob sie die Mehrkosten für Fahrzeugbeschaffung und notwendige Technik ausgleichen können, muss sich zeigen. Forscher gehen außerdem davon aus, dass autonomes Fahren zu einem flüssigeren Verkehr und zu einer erhöhten Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt, da die Fahrzeuge miteinander verknüpft agieren. 

Entscheidend für die Mobilitätswende ist ein hochfrequenter, attraktiver und flächendeckender ÖPNV. Autonome Fahrzeuge können das Problem des Fahrpersonalmangels lösen und ein engmaschigeres ÖPNV-Angebot auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten ermöglichen. Bis es so weit ist, werden vermutlich noch viele Jahre vergehen. Erste Anwendungen sind auf Betriebsgeländen, Messen oder an Hochschulstandorten zu erwarten. In den kommenden 5-15 Jahren ist autonomes Busfahren auch im Regelbetrieb wahrscheinlich, aber nur in hierfür geeigneten Bedienungsgebieten mit geringen Störeinflüssen wie z. B. in verkehrsarmen Wohngebieten. Zum Einsatz werden hier Pkw und Kleinbusse kommen, die den kapazitätsstarken ÖPNV mit Bussen, Straßenbahnen und Zügen ergänzen.

Der VDV sieht neben der Erprobung von autonomem Fahren im täglichen Betrieb auch die Entwicklung von Angebotskonzepten als wesentlich an, die sich wirtschaftlich tragen. Gleichzeitig weist der VDV auf das Fehlen technischer Anforderungen an fahrerlose Fahrzeugsysteme hin. Die Prüforganisationen und die Länder haben zwar eine erste Genehmigungspraxis für neue automatisierte Fahrzeugkonzepte entwickelt. Diese ist jedoch weiterhin auf Erprobungen und Ausnahmen beschränkt und ermöglicht keinen echten Regelbetrieb mit vollautomatisierten und vor allem fahrerlosen Fahrzeugen.

Um den Betreibern und insbesondere den zuständigen Behörden und Kommunen ausreichend Planungs- und Rechtssicherheit zu geben, bedarf es deswegen dringend weiterer Harmonisierung durch verbindliche technische Anforderungen an fahrerlose Fahrzeugsysteme. Um das volle Potential des autonomen Fahrens auszuschöpfen, hat der VDV gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen Eckpunkte für einen Rechtsrahmen für einen vollautomatisierten und fahrerlosen Level 4 Betrieb im ÖPNV entwickelt (Link).