Multimodale Lösungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Mobilstationen nehmen hierbei eine Schlüsselrolle ein.
ÖPNV, Carsharing, E-Bikes – an Mobilstationen steht Reisenden nicht nur ein Verkehrsmittel zur Verfügung, sondern mehrere. Denn Mobilstationen verknüpfen unterschiedliche Verkehrsmittel systemisch miteinander. Daraus erwächst insbesondere in verdichteten Siedlungsbereichen die Chance, die Straßeninfrastruktur zu entlasten. Mobilstationen leisten aber auch einen Beitrag zur Verbesserung der Erreichbarkeit, insbesondere für Personen ohne permanente Pkw-Verfügbarkeit und tragen im ländlichen Raum zur Mobilitätssicherung bei. Mobilstationen gelten als sichtbares Element im Stadtbild, das für eine nachhaltige Mobilitäts- und Stadtentwicklungspolitik spricht, und somit die Attraktivität des Standortes erhöht.
Ausgangslage
Die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsangebote ist die Kernaufgabe einer Mobilstation. Die Vorteile der verschiedenen Verkehrsmittel können hier sinnvoll miteinander kombiniert werden. Der ÖPNV (SPNV, Stadt- und Straßenbahn, Bus) bildet dabei das Rückgrat des Mobilitätsangebotes einer Mobilstation. Je nach Standort ergeben sich unterschiedliche Mobilitätsanforderungen, auf die Mobilstationen mit einem passgenauen Angebot an Verkehrsmitteln reagieren. Neben dem ÖPNV finden sich an Mobilstationen z. B. folgende Angebote:
- Radabstellanlagen: Dem Radverkehr kommt in Verbindung mit dem ÖPNV eine hohe Bedeutung zu, denn er deckt die „erste Meile“ zwischen Start und Haltestelle bzw. die „letzte Meile“ zwischen Haltestelle und Ziel ab. Durch sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder (Fahrradboxen, Fahrradkäfige) wird eine höhere Attraktivität der Mobilstation erreicht.
- Automatische Radverleihsysteme: Diese haben sich inzwischen in den Zentren der Großstädte in NRW verbreitet. Kund*innen müssen sich beim Anbieter registrieren und können dann gegen Gebühr (zumeist zeitabhängig) freie Räder ohne vorherige Reservierung ausleihen. Zunehmend werden Tarifkooperationen mit dem ÖPNV umgesetzt. Radverleihsysteme bieten darüber hinaus neue Möglichkeiten im Freizeitverkehr.
- Lastenfahrräder: Der Verleih von Lastenrädern ist insbesondere an Mobilstationen in Innenstädten bzw. Quartieren denkbar.
- E-Tretroller-Sharing: elektrische Tretroller können zukünftig vor allem an städtischen Standorten eine tragende Rolle beim Zurücklegen der ersten und letzten Meile übernehmen. Mobilstationen bieten feste Punkte, um Vandalismus und der unkontrollierten Streuung der Fahrzeuge entgegenzuwirken.
- Radstation: Die Radstation bietet verschiedene Serviceleistungen rund um das Fahrrad. Dazu gehören neben einem sicheren überdachten Stellplatz mit hochwertiger Ausstattung und persönlicher Begleitung auch Dienstleistungen wie Fahrrad-Werkstatt und Fahrradverleih.
- Pkw-Stellplätze: Da der ÖPNV insbesondere auf Relationen mit geringem Fahrgastpotenzial häufig Angebotslücken und manchmal auch lange Fahrzeiten aufweist, kann das Nutzerpotenzial einer Mobilstation durch die Integration von Pkw-Stellplätzen oft deutlich erhöht werden. Die Dimensionierung der Stellplatzanlage richtet sich vor allem nach der räumlichen Lage und verkehrlichen Funktion der Mobilstation.
- Carsharing: Carsharing bietet die Möglichkeit, flexibel und unkompliziert einen Pkw zu nutzen, ohne selber einen Pkw zu besitzen. Carsharing hilft beim Gepäcktransport und bietet die Rückfallebene für den Fall, dass Ziele und/oder Zeiten durch den ÖPNV nicht gut bedient werden.
- Taxistand: Das Taxi kann vor allem auf vor- oder nachgelagerten Wegen hilfreich sein und sichert die Erreichbarkeit von Gebieten mit schlechter ÖPNV-Erschließung auch für Personen ohne eigenen Führerschein.
- Haltepunkt für Fernbusse: Da nur wenige Fahrgäste ihr Ziel unmittelbar beim Aussteigen aus dem Fernbus erreichen, kommt der Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln eine hohe Bedeutung zu.
Neben der Verknüpfung der Verkehrsmittel stellen Mobilstation je nach Standort, Nutzerpotenzial und Flächenverfügbarkeit weitere Serviceangebote bereit wie z. B.:
- Durch die Installation von Ladesäulen kann die Elektromobilität gefördert und sichtbar gemacht werden. Die Einrichtung von Ladesäulen kommt sowohl für Carsharing-Stellplätze, Stellplätze für private Pkw als auch für E-Bikes in Betracht.
- Mobilstationen können auch Standorte für Gastronomie sein (z. B. Bäckerei, Café, Kiosk) und so die Aufenthaltsqualität erhöhen sowie die objektive und die subjektive Sicherheit an der Mobilstation steigern.
- Als Knotenpunkt in Wegeketten sind Mobilstationen für die Einrichtung von Self-Service-Dienstleistungen und Verkaufsautomaten wie z. B. Paketstation, Geldautomat oder auch ein Automat für Fahrrad-Zubehör und -Reparaturbedarf geeignet.
- Zum Leistungsspektrum einer Mobilstation gehört auch, ein ganzheitliches Angebot von Mobilitätsdienstleistungen zu kommunizieren und zu bewerben. Gerade an großen und zentralen Standorten sind häufig personalbesetzte Servicepunkte sinnvoll.
- Gepäckschließfächer sind vor allem für Mobilstationen in der Nähe von touristischen Zielen oder an Einkaufsstandorten relevant. Ausgestattet mit Steckdosen können in Schließfächern auch Akkus von E-Bikes geladen werden.
Akteure
Bei dem Aufbau von Mobilstationen kommt es vor allem auf eine effiziente Zusammenarbeit der Projektbeteiligten an. Die Kommune hat eine Schlüsselrolle, wenn es um die Planung, Realisierung und Vernetzung von modernen Mobilitätsangeboten geht. Des Weiteren sollten auch die kommunalen Verkehrsunternehmen, Mobilitätsanbieter und Verkehrsverbünde sowie die Öffentlichkeit in die Realisierung von Mobilstationen eingebunden werden. Das kommunale Mobilitätsmanagement führt im Idealfall die spezialisierten Kräfte zusammen.
Gerade in ländlich geprägten Gebieten bietet es sich an, ein kreisweit einheitliches Netz von Mobilstationen aufzubauen. Oftmals haben Gemeinden oder kleine Kommunen nicht das notwendige Personal oder „know how“, weshalb der Landkreis eine koordinierende Funktion einnimmt und die Erarbeitung eines Feinkonzepts oder Planungen an bspw. ein Planungsbüro übergibt. Die Kreise können hierbei auf bereits vorhandene Gutachten der Zweckverbände zurückgreifen.
Bahnhöfe und Bahnhaltepunkte sind in der Regel Verknüpfungspunkte zwischen dem SPNV und kommunalen ÖPNV und stellen wichtige Eckpfeiler eines jeden Mobilstationenkonzeptes dar. Die Planungsträgerschaft liegt in diesen Fällen bei Eisenbahninfrastrukturunternehmen, da diese in der Regel die Eigentümer der Flächen sind.
Das „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ unterstützt Kreise, Städte und Gemeinden in NRW bei der Gestaltung ihrer lokalen Mobilitätswende durch ein kommunales Mobilitätsmanagement. Informationen zum Thema Mobilstationen sind auf der Website des Zukunftsnetz Mobilität NRW zusammengestellt (Mobilstationen NRW). U.a. ist mit dem „Handbuch Mobilstationen NRW“ ein praxisnaher Handlungsleitfaden für Kommunen und Verkehrsunternehmen erstellt worden. Zum Download steht auch der „Gestaltungsleitfaden Mobilstationen NRW“ zur Verfügung, mit dem sich das Verkehrsministerium für ein landesweit einheitliches Design einsetzt.
Zum 1. Juni 2019 ist in NRW die „Richtlinien zur Förderung der vernetzten Mobilität und des Mobilitätsmanagements (FöRi-MM)" in Kraft getreten. Die Landesregierung stellt damit eine Förderung für Projekte im Bereich Mobilstationen, Digitalisierung, Mobilitätskonzepte und Mobilitätsmanagement zur Verfügung. Die regionalen Nahverkehrszweckverbände Rhein-Ruhr, Rheinland und Westfalen-Lippe fördern die Ausstattung von Mobilstationen über ihre Investitionsförderprogramme im Rahmen der pauschalierten Investitionsförderung nach § 12 ÖPNVG NRW.
In Nordrhein-Westfalen bestehen bereits an vielen Standorten Mobilstationen. Alleine in den vergangenen vier Jahren wurden landesweit rund 200 Mobilstationen realisiert. Auch in diesem Jahr sind viele Mobilstationen in der Umsetzungsphase. Vielerorts existieren gute Ausgangsvoraussetzungen, auf denen Kommunen aufbauen können. So verfügen viele Städte und Gemeinden über P+R- bzw. B+R-Anlagen, über Carsharing-Angebote oder Fahrradverleihsysteme. Das „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ begleitet und unterstützt die Mitgliedskommunen beim Aufbau von Mobilstationen.
Beispiele für bestehende Mobilstationen und Planungen in NRW:
Die Stadt Essen plant gemeinsam mit der Ruhrbahn ein über das Stadtgebiet verteiltes Netz von 10 bis 12 Mobilstationen. Die Ruhrbahn GmbH hat dazu ein Konzept entwickelt. Sechs Mobilstationen wurden seit 2019 bereits eröffnet: an den Haltestellen Landgericht, Steele, Florastraße, ZOB Kupferdreh, Parkfriedhof und Kronprinzenstraße wird der ÖPNV z. B. verknüpft mit Carsharing, Radabstellmöglichkeiten, Fahrradverleih und Taxen. Über die Ruhrbahn-App „Zäpp“ ist neben dem Ticketerwerb, der Fahrplanauskunft und Umgebungskarten mit Standorten der Haltestellen, Leihfahrrädern und CarSharing u. a. auch die Buchung von Radboxen möglich.
Als erster Landkreis in Deutschland bietet der Rheinisch-Bergische-Kreis seinen Einwohner*innen ein flächendeckendes Netz an Mobilstationen. Seit Anfang 2022 bestehen hier 19 Mobilstationen an Bushaltestellen und Bahnhaltepunkten. Die Ausstattungselemente sind speziell auf den jeweiligen Ort zugeschnitten und können folgende Bausteine enthalten: E-Bike-Verleihsystem, Car-Sharing-Angebote, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Pkw-Stellplätze, Fahrradboxen, Mitfahrerbänke, Ladesäulen für Elektroautos und Informationsstelen. Weitere Infos zu den Mobilstationen im Rheinisch-Bergischen-Kreis auf mobil.nrw.
Weitere Beispiele für bereits realisierte Mobilstationen in NRW sind ebenfalls auf mobil.nrw zusammengetragen.
Der Zweckverband go.Rheinland (vorher Nahverkehr Rheinland, NVR) plant den Aufbau eines flächendeckenden Mobilstationen-Netzes in seinem Verbandsgebiet. Hierzu wurden im Rahmen eines Gutachtens aus den rund 9.600 Haltestellen rund 460 Standorte ausgewählt und deren Potenzial für eine Weiterentwicklung zur Mobilstation überprüft. Zu diesem Zweck wurden die heute vorhandenen Ausstattungselemente und Verkehrsmittel der Haltestellen erfasst, das Umfeld analysiert, die Fahrgastzahlen bewertet, Raumkategorien festgelegt und die Anforderungen der Nutzer an eine Mobilstation im Rahmen einer Befragung ermittelt. Auf dieser Basis konnte ein Anforderungsprofil erstellt werden, welches eine einheitliche Grundausstattung von Mobilstationen festlegt, die eine hohe Qualität und einen verbandsweiten Wiedererkennungswert ermöglicht, sowie eine an standortbedingte Faktoren geknüpfte, erweiterte Zusatzausstattung definiert. Anschließend wurde der Handlungsbedarf für die untersuchten Haltestellen durch einen Abgleich der Haltestelleneigenschaften mit dem Anforderungsprofil ermittelt. Für alle Stationen wurden die erforderlichen Investitionen zum Erstellen des Mindeststandards errechnet und der Handlungsbedarf (hoch, mittel, gering) festgelegt. Alle Ergebnisse wurden in Steckbriefen zusammengestellt. Gemeinsam mit dem „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ unterstützt go.Rheinland die Kommunen bei der Ausgestaltung von Mobilstationen.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und der Zweckverband Westfalen-Lippe (NWL) haben ähnliche Gutachten für ihr Verbundgebiet erstellen lassen. Als Ergebnis wurden im VRR 630 ÖPNV-Haltepunkte mit Potenzial zum Ausbau zu einer Mobilstation identifiziert. Der Abschlussbericht und die Steckbriefe zu den einzelnen Standorten sowie Informationen rund um das verbundweite Konzept für die Errichtung von Mobilstationen stehen auf der Webseite des VRR zur Verfügung. zur Verfügung. Im NWL ermittelt das Gutachten 628 Standorte, die potenziell zu einer Mobilstation ausgebaut werden können. Weitere Informationen sind auf der Webseite des NWL zusammengestellt.
Probleme und Aufgaben
Nach dem erfolgreichen Aufbau einer Mobilstation, sollten sich die Verantwortlichen den Marketing- und Informationsmaßnahmen widmen. So können auf die neuen Angebote aufmerksam gemacht, Nutzungsbarrieren gesenkt und Reisende dazu bewegt werden, ihr eigenes Mobilitätsverhalten zu überdenken. Hierbei sind neben Angeboten vor Ort auch Informationsplattformen im Internet und als Smartphone-App von Relevanz.
Wesentlich ist ein einheitliches Erscheinungsbild der Mobilstationen in einer Region. Es ermöglicht den Reisenden, auf den ersten Blick eine Mobilstation sowie die Zugehörigkeit der vorhandenen Angebote zur Mobilstation zu erkennen, z. B. durch ein einheitliches Design und durch Wegweiser.
Um die Nutzungsbarriere gering zu halten, sollten die Angebote vom „klassischen ÖPNV“, über Carsharing und Leihfahrrad durch eine gemeinsame Angebots- und Abrechnungsplattform verknüpft werden (einheitliche „Benutzeroberfläche“). Kund*innen erhalten damit einen einheitlichen bzw. vereinfachten Zugang zu allen Angeboten (siehe auch Mobilitätsverbund).