Eine Hand hält ein rosa Smartphone, auf dessen Display der Begriff "E-Ticket" und ein QR-Code angezeigt wird. In Hintergrund ist eine verschwommene Leuchttafel für Abfahrts- oder Abflugzeiten zu sehen.
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eTicketing in Europa und grenzüberschreitende Lösungen

Ver­öf­fent­licht am

Elektronisches Ticketing ist auch im europäischen Ausland weit verbreitet. Dabei sind die Ausgangsvoraussetzungen und Anforderungen an das elektronische Ticketing in den Ländern vielfach sehr unterschiedlich.

In den Niederlanden zum Beispiel hat die OV-​chipkaart die frühere Strippenkaart abgelöst. Derzeit läuft die Umstellung auf das ID-basierte Ticketing-Verfahren OVpay. In London bietet die Oystercard ein umfassendes elektronisches Fahrgeldmanagement mit Abotickets, Einzelfahrscheinen und Abrechnung nach dem Best-​Preis-Prinzip. Ferner gibt es Projekte für grenzüberschreitende eTicket-​Lösungen. 

Niederlande


OV-Chipkaart und OVpay

In den Niederlanden haben die fünf größten Verkehrsunternehmen NS (Niederländische Eisenbahnen), Connexxion, GVB (Amsterdam), RET (Rotterdam) und HTM (Den Haag) 2002 die Gesellschaft Trans Link Systems gegründet. Ziel war die Einführung des elektronischen Tickets OV-​chipkaart. Im Herbst 2005 hat die Ausgabe der OV-​chipkaart mit aufladbaren Karten in der Region Rotterdam begonnen. Die Umsetzung des elektronischen Tickets erfolgte schrittweise. Seit 2011 ist die Einführung der OV-​chipkaart in den Niederlanden abgeschlossen. Seitdem können Fahrten in sämtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln in den Niederlanden ausschließlich mit der OV-​chipkaart bezahlt und getätigt werden.

Erhältlich sind sowohl aufladbare als auch nicht wieder aufladbare kontaktlose Plastikkarten:

  • Die aufladbaren Karten sind entweder als personalisierte oder anonyme Karten erhältlich. Die Fahrpreisermittlung erfolgt durch An- und Abmelden (Check-In/Check-Out) im Fahrzeug bzw. auf dem Bahnsteig (3. Stufe des elektronischen Ticketings). Auf den personalisierten Karten werden auch Zeitfahrkarten abgelegt. Anonyme Karten müssen an Automaten oder Kundenzentren mit einem Guthaben aufgeladen werden. Der Vorteil der personalisierten Karten gegenüber den anonymen ist die Möglichkeit einer automatischen Aufladung per Bankeinzug vom Konto sowie die Verlust- und Diebstahlabsicherung durch Sperrung der registrierten Karte. Ferner erfordern tarifliche Rabatte für Kinder oder Senioren eine personalisierte Karte.
  • Die nicht aufladbaren Karten werden für Einzelfahrten (z.B. im Eisenbahnverkehr) oder als Tages-/Mehrtagestageskarten (z.B. in Großstädten mit stadtweitem „Einheitstarif“) ausgegeben.

Aufgrund der historischen Entwicklung der Beförderungstarife in den Niederlanden handelt es sich bei der OV-​chipkaart um eine Lösung, die den Vertrieb, die Fahrgastabfertigung während der Fahrt und die Einnahmenaufteilung integriert. Die Unternehmen haben bei der Festlegung der Tarife und der Tarifhöhe (in Abstimmung mit ihren Aufgabenträgern) eine neue Gestaltungsfreiheit gegenüber dem ehemaligen landesweiten Papierticket-​Konzept „strippenkaart“ gewonnen. Im Zuge der Implementierung sind verschiedene praktische Erfahrungen gemacht worden, die gut die Komplexität des E-​Ticketings aufzeigen:

  • Steigen Kund*innen zwischen 2 verschiedenen Unternehmen um, werden zwei zu addierende Fahrpreisberechnungen angestoßen.
  • Bei der Implementierung der OV-​chipkaart in den Regionen außerhalb der großen Zentren wurde die Erfahrung gemacht, dass die OV-​chipkaart (Karte ist kostenpflichtig und muss mit Guthaben geladen sein) die Gelegenheitsnutzung im ÖV hemmt. Wer keine OV-​chipkaart besaß, musste ein deutlich teureres „Notticket“ kaufen. Der erkennbare Einnahmenrückgang zwang die Verkehrsunternehmen dazu, vereinfachte Papiertickets (z. B. Tagestickets) für den Bordverkauf neu aufzulegen, um diese Kundengruppe zurückzugewinnen.
  • Der Umstieg am gleichen Bahnsteig zwischen zwei Zugbetreibenden (z. B. am Bahnhof Heerlen) hat zur Verwirrung der Kund*innen geführt, da das System die Einhaltung der Ein- und Auscheck-​Reihenfolge nach den genutzten Unternehmen erfordert und jeweils unternehmensbezogene Terminals auf den Bahnsteigen in der richtigen Reihenfolge bedient werden müssen.
  • Personalisierte Chipkarten konnten lange nur von Kund*innen erworben werden, die über ein niederländisches Girokonto verfügten. Gerade für Grenzpendelnde stellte dies ein Ärgernis dar.
  • Besonderheiten des grenzüberschreitenden Busverkehrs sind bei der Einführung der OV-​chipkaart nur unzureichend bedacht worden (z. B. Vorhaltung der Ticketing-​Infrastruktur in den ausländischen Fahrzeugen), so dass die hieraus resultierenden Probleme häufig zu höheren Fahrpreisen für die betroffenen Kund*innen führen.

Um das eTicketing in den Niederlanden zukunftsfähig zu machen, wird eine ID-​​basiertes System unter dem Namen OVpay eingeführt. Beim ID-​​basierten Ticketing liegt die Fahrberechtigung nicht mehr im Nutzermedium (z. B. Chipkarte) selbst vor, sondern das Hintergrundsystem stellt die Fahrtberechtigung zur Prüfung in der „Cloud“ (Speicherung im Internet) zur Verfügung. Mit dem Hintergrundsystem wird eine Best-​​Price-Abrechnung (3. Stufe des Elektronischen Ticketings) möglich. Außerdem sind neben der Chipkarte auch die Nutzung von EMV-​​Bankkarten und anderen kontaktlosen Medien wie Smartphones als Nutzermedium möglich. Der Fahrgast kann flexibel zwischen den Medien wechseln.

OVpay ist Schritt für Schritt in den gesamten Niederlanden eingeführt worden. Zunächst wurde die Machbarkeit in kleinen Testräumen geprüft mit dem Ziel, Erfahrung für das Gesamtsystem zu sammeln. Inzwischen ist OVpay in den gesamten Niederlanden für gelegentliche Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der zweiten Klasse ohne Ermäßigung verfügbar. Geplant ist die Ausweitung auf andere Nutzergruppen wie z. B. Dauerkarteninhaber*innen und Studierende. Der Fahrpreis entspricht zurzeit noch dem regulären Preis mit der OV-​Chipkaart.

London


Oystercard

2002 wurde das Elektronische Ticketing in London mit der Oystercard testweise gestartet. Die kontaktlose Plastikkarte wurde an 80.000 Mitarbeiter des Verkehrsunternehmens „Transport for London“ (TfL) als Zeitfahrausweise verteilt. Ab 2003 wurde die Oystercard an Zeitkartenabonnenten (Travelcard und Bus & Tram Pass) ausgegeben, ab 2004 ist sie auch als personalisierte Prepaid-​Karte („Pay as you go“) für Einzelfahrten mit Abrechnung nach dem Bestpreis-​Prinzip erhältlich (3. Stufe des Elektronischen Ticketings). Zusätzlich können verschiedene Abos und Einzelfahrtguthaben gleichzeitig auf derselben Karte abgelegt werden. Neben der manuellen ist auch eine automatische Aufladung („Auto top-​up“) der Karte bei Unterschreiten eines festgeschriebenen Mindestguthabens möglich. Seit 2014 können auch kontaktlose Kredit- und Debit-Karten für „Pay-as-you-go“ benutzt werden. 

Die „Oystercard“ gilt in den meisten Nahverkehrsmitteln in London, wie z. B. U-Bahn, Bussen, Nahverkehrszügen oder auch Schiffen des „Thames Clipper-Service“. Sie ist nicht mit dem ITSO-Smartcard-Standard kompatibel, welcher in anderen Regionen Großbritanniens zum bargeldlosen Zahlen im ÖPNV verwendet wird.

Grenzüberschreitende Lösungen


Zwischenzeitlich sind mit der OV-​chipkaart und OVpay in den Niederlanden und der MOBIB-​Karte (Calypso-​Standard) in Belgien in beiden Nachbarländern Nordrhein-​Westfalens abweichende nationale E-​Ticket-Standards eingeführt worden. In Grenzräumen steigen die Probleme, die durch die unterschiedlichen nationalen Standards im elektronischen Ticketing vor Ort auftreten.

Aufgrund der Komplexität der Ticketing-​​Verfahren dürften die zwischenzeitlich national etablierten Standards für lange Zeit die Ausgangssituation für Reisende im europäischen Nahverkehr darstellen. Während sich Grenzpendelnde bei Berücksichtigung recht weniger Grundsätze (z. B. Abrechnungswege des Ticketing-​​Verfahrens müssen auch aus dem Ausland nutzbar sein, Vermeidung von nicht am Markt durchsetzbarer Preisaddition von Fahrtabschnitten) noch mit unterschiedlichen Systemen arrangieren können, stellt sich der Systemzugang für Seltennutzende wie z. B. Urlaubsreisende deutlich schwieriger dar, weil der Zugang zum Nutzermedium erschwert ist (z. B. Kosten zum Erwerb des Nutzermediums in unwirtschaftlichem Verhältnis zu den Kosten für die beabsichtigten Fahrten, zum Ankunftszeitpunkt sind Ausgabestellen für Nutzermedien nicht geöffnet). Hier ist die Kreativität der ÖPNV-​​Landschaft gefragt, um dieser vermutlich im Gesamtzusammenhang eher kleinen Kundengruppe einen nahtlosen Systemzugang zum ÖPNV einzuräumen. Entsprechende Techniken liegen mit Smartphones (Handy-​​Ticket) oder dem Kauf eines Online-​​Tickets zum Papierausdruck über den Webbrowser vor.

Im europäischen Forschungsprojekt „European Travellers Club (ETC)“ wurde ein neuer Ansatz zur Überbrückung der bestehenden grenzüberschreitenden Hürden getestet. Beim so genannten „Account-​​based Ticketing“ oder ID-​​basierten Ticketing liegt die Fahrberechtigung nicht mehr im Nutzermedium (z. B. Chipkarte) selbst vor, sondern das Hintergrundsystem stellt die Fahrtberechtigung zur Prüfung in der „Cloud“ (Speicherung im Internet) zur Verfügung. Bei einer Überprüfung der Fahrtberechtigung wird somit das Nutzermedium nur zur Identifikation des Nutzers und zum Auffinden der Fahrtberechtigung in der Cloud genutzt. Das Verfahren ist mit EFM der Stufe 2 und 3 anwendbar. In einem Pilotversuch in der Region Aachen (D) und Heerlen (NL) wurde das Verfahren 2018 mit Testkund*innen erprobt.

Aufbauend auf den Ergebnissen des Forschungsprojektes „European Travellers Club“ wird aktuell das Projekt „Easy Connect“ vom AVV und seinen Partnern bearbeitet. Ziel ist der Aufbau eines grenzüberschreitenden, smartphone-​​ und ID-​​basierten Ticketing-​​Systems. 

  • Nach dem Aufbau der Hintergrundsysteme ist im Herbst 2022 die erste Pilotphase auf der Strecke des RE 18 zwischen Maastricht und Aachen gestartet. In dieser ersten Stufe konnten angemeldete Testkunden über die App des AVV ein Einzelticket zum ermäßigten Pauschalpreis erwerben. Getestet wurden zunächst die Ausgabe und Kontrolle eines Barcodes, der sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden genutzt werden kann. 
  • Die zweite Pilotphase soll im Frühjahr 2024 starten und umfasst den Test von Check-​in und Check-​out in einer App für grenzüberschreitende Fahrten in einem länderübergreifenden eTarif. Die Preisbildung erfolgt automatisch durch Kombination der eTarif-​Module auf niederländischer und deutscher Seite. Die in dem Projekt eingesetzte ID-​Ticketing-Technik ist nicht nur auf „klassische“ Bus- und Bahn-​Angebote beschränkt: Sie schafft auch die Grundlage zur grenzüberschreitenden Nutzung multimodaler Verkehrsträger wie Carsharing-​ oder E-​Scooter-Angebote. In Pilotphase 2 wird auch die technische Grundlage dafür geschaffen, dass eezy.nrw künftig nicht mehr an der Landesgrenze endet. Vielmehr sind dann mit eezy.nrw auch grenzüberschreitende Fahrten zwischen den Niederlanden und NRW möglich.